Zum Donnerschweer Stadion fehlen mir die fußballerischen Bezüge, weil ich nie dort gewesen bin. Dennoch bin ich fasziniert von den zahlreichen Anekdoten, die darüber erzählt werden und es ist nicht aus der VfB Historie weg zu denken. Mitte/Ende der 90er durfte ich zumindest mal ein Bunte Liga Spiel dort verfolgen. Ich war beeindruckt von den leerstehenden und verlassenen Bauten (in denen z.T. noch alte Stadionzeitungen rum lagen, die ich anschließend mitgenommen habe) und den zahlreichen Graffitis. Anfang der Nullerjahre hing ich dort noch mit ein Punks zum Biertrinken ab und durfte auf den Stehtraversen meinen Magen entleeren.
Für mich war und ist dass Marschwegstadion mein „Wohnzimmer“. Gemäß dem Fall, es wird irgendwann mal ein neues Stadion geben, werde ich wahrscheinlich zu denjenigen zählen, die nostalgisch vom Marschwegstadion erzählen und über die moderne Arena fluchen werden. Mit dem Stadion verbinde ich sowohl meine Schulzeit als auch den VfB. Während Ersterer wurde ich im Sportunterricht auf die Tartanbahn gezwungen, um dort für die Leichtathletikeinheit meine Runden zu drehen. Ich erinnere mich noch daran, wie wir mit mehreren Leuten versucht haben, auf den heiligen Rasen zu kommen und damit den laut schimpfenden Platzwart in den Wahnsinn getrieben haben.
Mein erstes VfB Highlight war das Relegationsspiel gegen Tennis Borussia Berlin. Die ganze Schule sprach damals von diesem Spiel und ich musste unbedingt eine Karte haben. Das Spiel war restlos ausverkauft und vermutlich wurden weitaus mehr Karten verkauft als Personen für das Stadion zugelassen waren. Mein Vater und ich radelten über den Niedersachsendamm zum Spiel.Von weitem war die Atmosphäre schon spürbar. Als wir den Eingang unter der Autobahnbrücke erreichten, bildeten sich vor dem Eingang lange Schlangen. Das Spiel war bereits im vollen Gang. Als wir die Stadiontore passierten, konnte ich zunächst nichts vom Spiel sehen. Weit und breit keine Sicht aufs Spielfeld. Wir entschieden uns dann dazu, das Spiel von einem der Graswälle zu verfolgen. Auch dort drängelten sich die Leute dicht aneinander. Ein Hügel war jedoch noch unbesetzt, wenn auch eingezäunt. Mehrere Fans hatten das selbe Problem wie wir und entschieden sich dazu, ein Loch unter den Zaun zu graben, um anschließend durch diesen zu krabbeln und den freien Hügel zu entern. Für mich stellte dies kein Problem dar. Als mein Vater versuchte, sich durch das freie Loch zu zwängen, packte ihn ein Ordner, woraufhin sein Shirt zerriss. Dennoch erreichte er erfolgreich die andere Seite des Hügels, auf den sich zwischenzeitlich 20-30 Menschen eingefunden haben. Kurz darauf wurde der Bereich dann auch für die Allgemeinheit geöffnet. Ich glaube zum Spiel muss ich nicht viel schreiben. Das werden noch viele gut in Erinnerung behalten (außer die mir befreundeten Fans aus Berlin). Am Ende gab es einen euphorischen Platzsturm. Völlig unbekannte Menschen lagen sich in den Armen und es flossen zahlreiche Freudentränen. Ich mittendrin im Hochbad der Gefühle. Leider zog es uns im Anschluss nicht mehr zur Aufstiegsfeier. Als Erinnerung an das Spiel nahm ich mir eine halb abgebrannte Fahne von Tennis Borussia Berlin mit nach Hause, die leider nicht mehr in meinem Besitz ist.
In der darauf folgenden Zweitliga Saison war ich alt genug und durfte endlich alleine zum Fußball gehen. Ich sparte mir regelmäßig mein Taschengeld zusammen, so , dass ich jedes Heimspiel verfolgen konnte. Während der Spiele verdiente ich mir zwischenzeitlich etwas dazu, indem ich Pfandbecher sammelte. In dieser Zeit gab es einige Werbejingles, die sich bis heute in meinem Kopf festgesetzt haben. Van Halens „Jump“ läuft auch heute noch (bzw. wieder) im Stadion. Die 90er Jahre Eurodance Lieder hingegen nicht mehr. Sportlich lief es in der Saison bekanntlich nicht sonderlich rund. Fasziniert war ich von den gegnerischen Fanszenen, die am Marschweg gastierten, unter anderem Eintracht Frankfurt, Rot Weiß Essen und der 1.FC Kaiserslautern. Bei letzterem Spiel gab es meines Wissens nach die erste große Choreographie zu sehen, die sich sowohl über die Gegengerade als auch die Haupttribüne streckte. Nach jedem Spiel begab ich mich im Anschluss unter die Tribüne, um mir Autogramme von den Spielern zu holen. Dort gab es jedes Mal dichtes Gedrängel. Sportlich ist mir vor allem das Pokalspiel gegen Werder in Erinnerung geblieben. Der VfB konnte lange Zeit mit dem Bundesligisten mithalten. Und wäre Thomas Goch vor dem Werder Tor nicht zu eigensinnig gewesen- wer weiß, ob dem VfB dann womöglich eine Pokalsensation gelungen wäre?
2002 stand das nächste Relegationsspiel an. Der VfB trat gegen die Zweite Mannschaft vom Hamburger SV an. 12.000 Menschen sahen ein torloses Unentschieden. Leider fehlen mir die Erinnerungen hieran, da es eins der ersten Fußballspiele gewesen ist, bei dem ich zu viel über den Durst getrunken hatte.
Besondere Erinnerungen habe ich an die Niedersachsenliga Zeit. Es fanden sich nicht mehr viele Menschen im Marschwegstadion ein. Umso familiärer war die Atmosphäre und ich fand in dieser Zeit meinen Weg in die aktive Fanszene. Ein Freund und ich verfolgten die Spiele auf Höhe der Bierbude (auch damals war das Bier schon lauwarm und schal). Dabei amüsierten wir uns köstlich über die eine oder andere Fußballweisheit von so manch älterem Herrn, was dazu führte, dass wir uns irgendwann dazu entschlossen haben diese mit einem Mp3 Player aufzunehmen, den mein Freund in seiner Kapuze versteckte. Die Aufnahmen habe ich immer noch und sorgen stets für ein Schmunzeln. Vor allem, wenn über die famliären Probleme eines Paolo Rizzo spekuliert wurde, die sich angeblich auf seine Leistungen auf dem Platz ausgewirkt haben sollen. Weniger schön waren die homofeindlichen Aussagen, die getätigt wurden. In diese Zeit fällt auch eines der emotionalsten VfB Spiele. Nachdem der VfB in Pewsum sich kurz vor knapp einen Treffer einschenkte und scheinbar die Karten für den Aufstieg zugunsten des SC Langenhagen verspielte, gastierte im darauf folgenden Spiel der SV Bockemen am Marschweg während der SCL zu Hause besagtes Pewsum empfing. Der VfB startete gut ins Spiel und konnte in Führung gehen. Im weiteren Verlauf war die Partie eher „gebremst“. Niemand wusste, wie es in Langenhagen stand, da es noch keine Smartphones oder dergleichen gab. Mit einem mal wurde es plötzlich immer lauter im Stadion. Irgendwas musste passiert sein. Die Menschen fingen vereinzelt an zu jubeln. Nachdem Heiko den Ausgleich für Pewsum verkündete, wurde es euphorisch und um mehrere Stufen lauter. Auf das eigentliche Spiel konzentrierte sich niemand mehr. Alle versuchten, irgendwelche Informationen aus Langenhagen zu bekommen. Gerüchte machten sich breit. Vereinzelte Schreie und das Einfordern von Informationen. Irgendwas musste passiert sein. Als Heiko das Mikrofon ansetze, wurde es für einen kurzen Moment sehr still. 2:1 für Pewsum! Das Stadion entwickelte sich zu einem Hexenkessel, Menschen lagen sich wie einst nach dem TeBe Spiel in den Armen. Die Meisterschaft lag wieder in VfB Händen und wurde beim anschließenden Spiel gegen Lingen mit einer großen und beeindruckenden Chroeografie („Das Feuer von Donnerschwee neu entfachen“) und anschließenden Feierlichkeiten zelebriert. Jörg Rosenbohm bedankte sich beim TuS Pewsum anschließend mit einer Vereinsmitgliedschaft.
07/08 war für viele VfB Fans der jüngeren Generation in vielfacher Hinsicht eine prägende Saison. Gerne erinnere ich mich an den 2:0 Sieg im Pokal gegen Kickers Emden zurück, die damals noch höherklassig spielten. Auch das Kielspiel wird hier sicherlich noch einigen in Erinnerung bleiben. Zu dem Spiel gab es auf der Gegengerade eine Choreo („Oberliga finest“) die zuvor nächtelang im Fanprojekt gepinselt wurde. Vielfach wurde über die Person spekuliert, die auf dem Banner zu sehen gewesen ist. Nach 0:2 Rückstand konnte der VfB noch mit 3:2 über den Tabellenführer obsiegen. „Laola“ im gesamten Marschwegstadion und Feierlichkeiten im Fanprojekt, die bis in die frühen Morgenstunden reichten. Unangenehm bleiben mir in dieser Zeit die „Young Boyz“ Wilhelmshaven in Erinnerung. Eine Gruppe mit Kontakten zur damaligen rechtsextremen „AG Wiking“ die beim Gastspiel des SVW durch ein romafeindliches Spruchband auffiel. Tausende Kehlen im Stadion reagierten erfreulicherweise darauf mit „Nazis raus“ Rufen und anschließenden Solidaritätsbekundungen gegenüber dem VfB Fanclub „Gipsy Mafia“. Leider ließen sich die Fans Abends noch im Fanprojekt blicken, und schossen Pyrotechnik in den Laden. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. 2007/08 war leider auch in Oldenburg eine Hochzeit, in der rechte Hooligans, NPD und freie Kameradschaften versuchten, in der Fanszene Fuß zu fassen. Am Stadioneingang wurden „Schulhof CDs“ verschenkt und es kam teilweise zu Übergriffen. Erfreulicherweise konnten sie nie Fuß fassen. Die Zeit hat mich somit nicht nur fußballerisch geprägt, sondern auch politisch. Nach einer sensationellen Hinrunde brachte der VfB in der Rückrunde leider nichts mehr zustande und stieg erneut in die 5. Liga ab.
In der Saison fegte der VfB u.a. den Heeseler SV mit 11:1 vom Platz. Leider standen nur zwei „Einsen“ für die Anzeigetafel zur Verfügung, so dass dem HSV ein Tor geklaut werden musste. Der VfB wurde Meister und viele Fans träumen bereits von Auswärtsspielen in Magdeburg, Babelsberg, Chemnitz, Halle und Berlin. Dafür musste jedoch noch der Goslarer SC im Relegationsspiel geschlagen werden. Die Ausgangsvoraussetzungen waren mehr als gut. Aber am Ende versagten vor mehr als 10.000 Menschen mal wieder die Nerven. Meinen Geburtstag hatte ich mir anders vorgestellt. Wie viele von uns noch wissen, folgte ein Platzsturm und anschließende Geisterspiele, die den VfB im öffentlichen Ansehen um Jahre nach hinten werfen sollten. Im Zuge dessen wurde in den Jahren darauf immer wieder über die Sicherheit am Marschweg diskutiert, u.a. über Sichtschlitze am Zaun, Zaunfahnenlängen und Maßeinheiten von Doppelhaltern und Fahnen. Bereits zu dieser Zeit und im Zuge von Diskussionen am „Runden Tisch“ machte sich der inzwischen ehemalige Sicherheitsbeauftragte alles andere als beliebt bei den Fans.
Sportlich bleiben mir in den Jahren darauf besonders vier Spiele in Erinnerung: 2010 gab es unter der Woche einen Pokalkrimi (erneut gegen Goslar) der in ein Elfmeterschießen mündete, das gefühlt nie ein Ende finden sollte. Die Folge war, dass es mangels Flutlicht zunehmend dunkler am Marschweg wurde (am Ende gewann der VfB mit 9:8). Ein Jahr drauf durfte der VfB nach 12 Jahren wieder DFB Pokal Spielen und hatte den Hamburger SV zu Gast. Zu dem Spiel gab es eine beeindruckende Choreo von uns und bis zum Schluss hatten wir alle die Hoffnung auf eine Pokalsensation nachdem Sebastian Ferulli zwischenzeitlich den Ausgleich erzielen konnte. Ein weiteres Pokalhighlight fand 2015 statt, als der VfB im NFV Pokal Halbfinal egegen Osnabrück antrat. Die Stimmung im Stadion war angespannt, da es zuvor einen Angriff durch Osnabrücker Fans auf das Fanprojekt gegeben hat. Nach 90 Minuten stand es 1:1. Leider scheiterte der VfB im Elfmeterschießen. Erwähnt werden muss auch, dass der VfB 2014 und 2016 um die Meisterschaft in der Regionalliga mitspielte. In dieser Zeit entfachte erneut die Stadiondiskussion und aus Reihen der aktiven Fanszene wurde die „Initiative Nordweststadion“ gegründet. Das direkte Duell zwischen dem VfB und Wolfsburg 2016, welches leider mit 1:2 verloren gingt bleibt mir nicht nur sportlich in Erinnerung. Die Schiedsrichteransetzung war umstritten, zudem kam es zu rassistischen Beleidigungen gegenüber den damaligen Publikumsliebling Kifuta. Der VfB bezog klar Stellung während Pablo Thiam vom VfL die Vorwürfe bestritt. Die Abreise der Wolfsburger musste damals von Polizei und Sicherheitsdienst sicher gestellt werden, da sich mehrere aufgebrachte VfB Fans von der Haupttribüne dem Mannschaftsbus näherten. Besondere Highlights waren in all den Jahren natürlich auch immer die Derbys gegen den SV Meppen. Dazu könnte ich einen eigenen Artikel schreiben und den meisten hier wird es vermutlich ähnlich gehen. Aus den letzten Jahren fallen mir leider keine VfB Highlights mehr ein. Der Support in Block A hat teilweise dazu beitragen können, dass sich die Stimmung im Stadion verbessern konnte. Gleichzeitig empfand ich den Weggang von der Gegengerade stets als Separierung der Ultras von der restlichen Fanszene. Etwas, das sich unsere überschaubare Szene eigentlich nicht leisten kann. Spielerisch konnte der VfB in der aktuellen Hinrunde wieder überzeugen, wenn auch pandemiebedingt nicht in einem angemessenen Rahmen. Mit Blick auf die letzten Jahre muss ich leider auch an die künstlich erzeugte Atmosphäre denken. Beispielhaft genannt seien hier die die Rauchfontänen zu Beginn des Spiels, ein pathetisch eingesprochenes Intro und Donni, das Maskottchen. Zudem fand eine Entfremdung zwischen großen Teilen der Fans und den handelnden Personen im Verein statt. Die Neubesetzung des Geschäftsführers (und perspektivisch auch des Vorstands) sowie die stattfindenden Gespräche lassen mich jedoch zuversichtlich in die Zukunft schauen. Gleichzeitig stellt sich bei sportlichen Erfolgen schnell wieder die Frage, ob und wann es ein neues Stadion in Oldenburg geben wird und wie lange noch am Marschweg gespielt werden kann. Es bleibt spannend und losgelöst davon, wo der VfB zukünftig spielen wird, werden die hier genannten Erinnerungen und zahlreiche weitere ans Marschwegstadion für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Abrunden möchte ich diesen Beitrag mit Klaus Priesuchas Song zur Spielstätte, der sogar Erwähnung findet im Wikipedia Artikel des Stadions (Ruhe in Frieden, Klausi!):
https://m.youtube.com/watch?v=uvUGHhs40x4&t=10s