Als ich Mitte Februar in Oldenburg war und mit JanW und Südschwede beim Spiel der U23 gegen den SV Brake über Fußball-Reiserei sprach, kam mir der Gedanke: Gibt es in Tschechien eigentlich Montagsspiele? Hintergrund war, dass ich eh eine Reise nach Prag gebucht hatte, aber am Sonntag in Prag bereits verplant war. So erfuhr ich: Mlada Boleslav spielt am Montag, den 03.03.2014, um 18 Uhr. 75 Kilometer von Prag entfernt. Ich nahm also das Abenteuer auf mich.
Abenteuer. Klingt komisch, ist aber so. Denn schon die Zugfahrt aus Prag nach Mlada Boleslav war ein Abenteuer. Vom Prager Hauptbahnhof ging es mit dem Rychlík nach Mlada Boleslav hlavní nádraží. Schon das war ein Zug, wie man ihn in Deutschland wohl maximal noch im Museum sehen kann, richtig abenteuerlich wurde es dann nach dem Umstieg in Mlada Boleslav. Dort gab es zwar eine Anzeige, welcher Zug wann von welchem Gleis fährt, aber Gleisnummern gab es keine. Also selber durchgezählt und den Osobní vlak nach Mlada Boleslav mesto gefunden. Ein Zug, der aus einem einzigen Wagen bestand und genau das darstellte, was man meint, wenn von der "Holzklasse" die Rede ist.
In Mlada Boleslav angekommen, ging es noch kurz für ein Wegbier in den Supermarkt, am Stadion angekommen wunderte ich mich, ca. eine Stunde vor Spielbeginn, erst einmal darüber, dass gar nicht mal so viel los ist. Ein Eindruck, der sich auch nicht ändern sollte. Was mich auch deshalb verwunderte: Am Morgen schrieb ich noch aus Prag eine Mail an den Verein, ob es noch Tickets geben wird und erhielt mit der Antwort gleichermaßen die Info, dass das Spiel sogar im Fernsehen übertragen wird. Das Stadion des Vereins fasst auch nur rund 5.000 Personen, da war ich auf ein volles Haus eingestellt. Aber Pustekuchen - am Ende waren nur 2.276 Zuschauer da. Eine Zuschauerzahl, die man sich zwar am Marschweg häufiger wünschen würde, nur war man hier eben drei Ligen höher. FK Mlada Boleslav vs. 1. FC Slovacko ist schließlich Gambrinus Liga. Die höchste in Tschechien. Sei es, wie es sei. Für nur 100 Kronen (umgerechnet nicht einmal vier Euro) in allen Platzkategorien konnte man sich das Spiel anschauen. Also rein da. Vorher aber noch ein Blick auf die Stadionordnung:
Ich weiß nicht, was in tschechischen Stadien so passiert - komische Bilder waren das aber auf jeden Fall, finde ich. Die Personenkontrollen hingegen waren eher lasch. Noch schnell ein Programmheft abgegriffen und Wurst und Bier geholt, danach mal Stadion-Atmosphäre geschnuppert. Bier und Wurst kosteten zusammen 70 Kronen, also etwa "zweifuffzich". Es wurde ansonsten langsam dunkel, das Flutlicht sorgte für eine tolle Atmosphäre, bereits vorm Spiel. Die Ansagen im Stadion verstand ich zwar nicht, aber ich hörte immer mal "Jarolim". Ein Blick in die Stadionzeitung zeigte: Ja, David Jarolim spielt bei Mlada Boleslav. Er bekam sogar eigene Gesänge. Überhaupt: Gesänge! Der Support der Fans war trotz der relativ geringen Zuschauerzahl hervorragend.
Zum Spiel selbst kann man im Grunde gar nicht so viel erzählen. Dafür war ich zuviel mit dem Aufsaugen der Atmosphäre beschäftigt und ich kannte ja auch außer David Jarolim keinen Spieler. Generell sah es zunächst relativ ausgeglichen aus, aber bald merkte man nach und nach, dass der aktuell Tabellenvierte aus Mlada Boleslav dem derzeitigen Tabellensiebten aus Slovacko insgesamt überlegen war. Ein Spieler wie David Jarolim macht da dann doch den Unterschied. Am Ende ging die ganze Kiste 2:0 für die Gastgeber aus und das war ein ziemlich verdientes Ergebnis. Gerade nach der zweiten Halbzeit wäre auch ein weiteres Tor nicht unverdient gewesen. So war es ein gut erspieltes 2:0 mit dem auch die anwesenden Zuschauer und Fans schwer einverstanden waren. Ich für meinen Teil wusste: Die Reise hat sich gelohnt.
Sie hat sich gelohnt, klar. Zum einen für das Fußballspiel, zum anderen aber auch, weil das Reisen selbst mir Tschechien von einer anderen Seite präsentieren konnte. Ein touristisch geprägtes Prag kann jeder erleben, ist ja auch sehr schön dort, aber 75 Kilometer von Prag entfernt präsentiert sich das Land eben von einer ganz anderen Seite, was schon mit der Bahnfahrt begann. Und überhaupt: Die gesamte Kombination aus Bahnfahrt von Prag nach Mlada Boleslav, Eintrittskarte, Stadionwurst und Stadionbier war am Ende vermutlich immer noch günstiger, als mir einfach ein Ticket für ein hiesiges Bundesliga-Spiel zu kaufen, in dem außer dem HVV-Ticket (durch das ich als Abokarten-Besitzer eh keinen Vorteil habe) nichts weiteres enthalten ist. Ganz zu schweigen davon, dass ich bei einem HSV-Spiel längst nicht so guten Fußball sehen würde wie den, den der FK Mlada Boleslav an diesem Montagabend gespielt hat.
"Die machen sich immer permanent Gedanken, wie kann man was reformieren. Da sitzen dann irgendwelche Leute in ihren dicken Sesseln, auf was weiß ich für einem Board, wie sich das nennt, Regelboardwerk oder wie die Heinis da oben heißen. Und entscheiden, so jetzt entscheiden wir mal." (Horst Heldt)