
Neben Berti Vogts ist Jupp Derwall der ehemalige Bundestrainer, der in der allgemeinen Bewertung wohl viel zu schlecht wegkommt. Mit ihm werden vorwiegend die von unerfreulichen Begleitumständen überschattete WM 1982 (Spanien) und die verpatzte EM 1984 (Belgien/Holland) in Verbindung gebracht. Dass er 1980 das EM-Turnier in Italien recht überzeugend mit seiner Mannschaft gewinnen konnte, gerät dabei ebenso in den Hintergrund, wie seine Länderspiel-Statistik.
In den 67 Länderspielen der Ära Jupp Derwall wurden 45 Siege bei 11 Unentschieden und nur 11 Niederlagen eingefahren; eine erstklassige Bilanz. Dazu hält er als Trainer mit einer Serie von 23 ungeschlagenen Länderspielen den Rekord aller bisherigen deutschen Reichs- und Bundestrainer.
Derwall hatte nach dem EM-Erfolg 1980 das Problem, mit einer Generation von Spielern arbeiten zu müssen, denen ihre sportlichen und vor allem finanziellen Erfolge über den Kopf wuchsen. Das schwärzwälder Trainingslager „Schlucksee“, die „Schande von Gijon“ (der Nicht-Angriffspakt zwischen Deutschen und Österreichern zu Lasten der Algerier) stehen für die damalige Spielergeneration, die sich (allzu)oft als Sauhaufen präsentierte. Der umgängliche und freundliche Derwall war nicht der Typ Zuchtmeister, der da vielleicht nötig gewesen wäre.
Bei der EM 1984 war es ein spätes, völlig unerwartetes Gegentor in letzter Minute, das das vorzeitige Aus bedeutete. Und in der veröffentlichten Meinung war Derwall der Sündenbock für alles ...
Eine Zeitung mit großen Schlagzeilen startete dann die Kampagne für Franz Beckenbauer als Bundestrainer ...
Derwall ging in die Türkei und gewann dort mit Galatasaray Istanbul in vier Jahren zwei Meistertitel. Zudem war er in der Türkei ein guter und beliebter Botschafter seines Landes.
Einen schweren Fehler kreide ich ihm aber doch an. Zusammen mit dem unsäglichen damaligen Vereinstrainer Heddergott (FC Köln) hat er das bis heute größte deutsche Fußballtalent nach Franz Beckenbauer aus Deutschland und aus der Nationalmannschaft vergrault. Er, der sonst immer versöhnlich war, hat hier einmal auf stur geschaltet, wo es ganz und gar unangebracht war. Schade, es hat ihn womöglich den WM-Titel 1982 gekostet, aber beweisen kann man so etwas natürlich nicht.
Jupp Derwall ist gestern im Alter von 80 Jahren gestorben.