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Sehnsucht nach der Hölle

Verfasst: 16.11.2006 19:53
von Soccer_Scientist
Sehnsucht nach der Hölle

Der deutsche Philosoph Otto Rehagel hat einmal lakonisch festgestellt: „Mal verliert man, mal gewinnen die anderen.“ So sieht es wohl aus. Wann immer es im deutschen Ligenfußball zu gravierenden Veränderungen kam, durfte man in Oldenburg sicher sein: Der VfB würde nicht davon profitieren.

Als der VfB Oldenburg 1999 in der Regionalliga Nord vor dem Konkurs stand, mehr als 100 Jahre nach seiner Gründung im Oktober 1897, hatte er eine eindrucksvolle Serie unglücklicher Abstiege und verpasster Aufstiege aufzuweisen, die ihre langen Schatten auf die Gegenwart warfen. Trotz aller Bemühungen blickte der Traditionsverein auf gerade einmal vier Spielzeiten in der 2. Bundesliga zurück.

Die dramatische Finanzlage dieser Tage hatte nicht zuletzt dort ihren Ursprung. Um endlich dem eigenen Anspruch und den Möglichkeiten im Umfeld gerecht zu werden, hatte der VfB alle Risiken beiseite geschoben. Statt der erhofften Wende stand der Verein schließlich vor den Trümmern seiner Existenz und konnte sich nur noch in Konjunktive flüchten.

Ein Albtraum beginnt

Die Einführung der Bundesliga nahm der VfB Oldenburg als Dauergast im unteren Mittelfeld der Oberliga nur aus der Ferne wahr. Dabei sollte es für lange Zeit bleiben. Die folgenden Jahre verbrachte man in der Regionalliga Nord, doch auch hier spielte der Verein eine eher nachrangige Rolle. Die Bundesliga hatte den Huntestädtern mit Werder Bremen und dem Hamburger SV die zugkräftigsten Gegner entzogen, was neben dem sportlichen Gesichtsverlust auch finanziell einen herben Schlag bedeutete.

In der Saison 1970/71 stieg man schließlich aus der Regionalliga ab. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt. Auch wenn der VfB ein Jahr später wieder an Deck war, ging das Fehljahr in die Fünfjahreswertung ein, mit deren Hilfe der Norddeutsche Fußballverband seine Teilnehmer an der neu geschaffenen 2. Bundesliga zu ermitteln gedachte. Am Ende schauten die Oldenburger trotz eines sechsten Platzes 1973/74, der für sich betrachtet gereicht hätte, erneut in die Röhre und fanden sich in der nur noch drittklassigen Oberliga Nord wieder.

Dort immerhin zählte der VfB zur Spitze und wurde 1974/75 auf Anhieb Meister, wenngleich in der Aufstiegsrunde schnell Ernüchterung einkehrte. Nach einer längeren Durststrecke errang der Verein 1979/80 erneut die Oberliga-Meisterschaft und feierte den lang ersehnten Aufstieg. Pech für den VfB, dass seine erste Zweitligasaison der mit der vom DFB geplanten Zusammenlegung der Nord- und Südstaffel enden würde. Der VfB belegte am Ende der Saison 1980/81 den 15. Rang und stieg ab. Wieder folgten zehn verlorene Jahre.

Erster Wendeverlierer im Nordwesten

Nach mehreren vergeblichen Anläufen kehrte der VfB Oldenburg 1990 unter Trainer Wolfgang Sidka und dem zuvor über den Bremer Immobilienmarkt getingelten Rudi Assauer als Manager in den bezahlten Fußball zurück, doch im Triumph zeigten sich schon wieder die Vorboten des Niedergangs. Die Schuldenlast des Vereins war mittlerweile auf bedrohliche 1,3 Millionen Euro angewachsen.

Seit 1982 hatte man mehrfach vergeblich versucht, den einzigen Vermögenswert des VfB, das Stadion Donnerschwee, zu veräußern, was zu erheblichen Spannungen im Verein geführt hatte. Die baufällige Spielstätte, liebevoll Hölle des Nordens genannt, galt nicht nur den Fans des VfB als das Identitätsmerkmal des Clubs.

Als sich jedoch abzeichnete, dass der VfB ohne diese Finanzspritze vor dem Aus stehen würde, gab zumindest die Stadt Oldenburg ihre bislang – freilich aus anderen Gründen – ablehnende Haltung auf und erwarb 1990 Grundstück und Stadion für 2,8 Millionen Euro. Seitdem spielt der VfB im städtischen Marschwegstadion, die Sehnsucht nach der Hölle ist jedoch geblieben.

Sportlich erlebte Oldenburg derweil eine erstaunliche Blüte. Nachdem die Sidka-Elf im ersten Jahr der Zweitligazugehörigkeit den Klassenerhalt gesichert hatte, schwang sich die Mannschaft um Ex-DDR-Nationalspieler Wolfgang Steinbach und den tschechischen Torjäger Radek Drulak in der Saison 1991/92 zum großen Favoritenschreck auf.

In der Nordstaffel der durch die Aufnahme einiger DDR-Vereine zweigeteilten Liga qualifizierte sie sich etwas überraschend zunächst für die Meisterrunde. Dort ließ der VfB schließlich mit einer fulminanten Serie namhafte Konkurrenz wie Hannover 96, Hertha BSC und den ambitionierten FC St.Pauli hinter sich. Am Ende fehlte nur ein Punkt auf Bayer Uerdingen, das als Meister in die Bundesliga aufsteigen durfte.

Wieder war der VfB zur falschen Zeit am richtigen Ort. Aufgrund der Reduzierung der Bundesliga von zwischenzeitlich 20 auf die angestammte Anzahl von 18 Vereinen, gab es ausgerechnet 1991/92 keinen dritten Aufstiegsplatz für die 2. Liga, zum einzigen Mal seit 1975. So blieb nur der Trost, die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte mit einem für damalige Verhältnisse exzellenten Schnitt von knapp 10.000 Zuschauern absolviert zu haben.

Hiob führt Regie

Das sollte sich schon in der folgenden Spielzeit ändern. Aus heute schwer nachvollziehbaren Gründen hatte der DFB die stückweise Reduzierung des Unterhauses auf 18 Vereine beschlossen, um nach der Vereinigung beider deutschen Fußballverbände so schnell wie möglich zum vor der Wende bestehenden Betrieb zurückkehren zu können. Das bedeutete für die Saison 1992/93 einen gnadenlosen Existenzkampf, am Ende sollten von 24 Vereinen der 2. Liga sieben in die Oberliga verabschiedet werden.

Auch in Oldenburg musste man im Verlauf der Saison erkennen, dass die Substanz des Kaders den Anforderungen nicht gewachsen war. Hatte man sich im ersten Saisondrittel noch im Mittelfeld der Liga aufgehalten, setzte bald ein Sinkflug ein, sowohl sportlich als auch in der Unterstützung durch den enttäuschten Anhang, der dem VfB zunehmend die Gefolgschaft verweigerte. Die Entlassung Trainer Sidkas im Februar 1993 erwies sich dann nur noch formeller Reflex und konnte den erneuten Abstieg nicht mehr aufhalten.

Nun jedoch versuchte der Verein mit aller Macht, die Rückkehr in den bezahlten Fußball zu bewerkstelligen und legte den Grundstein für den späteren Kollaps. Erst drei Jahre später gelang der Sprung zurück in die 2. Liga, um sie jedoch chancenlos sofort wieder in Richtung Drittklassigkeit zu verlassen.

Als hätte Hiob Regie geführt, stand auch für die Saison 1999/2000 eine Ligenzusammenlegung auf dem Spielplan, die Anzahl der Regionalligen sollten von vier auf zwei reduziert werden. Damit wollte der DFB die Wettbewerbsfähigkeit der längst professionell strukturierten, aber chronisch finanzschwachen Regionalligisten verbessern.

Der VfB Oldenburg durfte sich zwar durchaus zu den Addressaten dieser etwas halbherzigen Initiative zählen, in seinem Fall kam die Fürsorge jedoch zu spät. Der VfB rang da schon nur noch um seine Existenz und brauchte sportlichen Belangen keine weitere Beachtung zu schenken.

Ein Insolvenzverfahren, das der Verein beantragen musste, schleppte sich lange Zeit erfolglos hin, erst im August 2000, kurz vor Beginn der neuen Saison, stimmten die Gläubiger dem Plan zu und sicherten somit den Fortbestand des Vereins, der sportlich in die viertklassige Oberliga Niedersachsen/Bremen abgestiegen war.

Dort gelang in kleinen Schritten der Neuaufbau und 2001/02 verpasste die Mannschaft den Aufstieg erst in den Relegationsspielen gegen die Amateure des HSV, den Meister der anderen Staffel. Dann jedoch weckten die Reformpläne des Norddeutschen Fußball-Verbandes dunkle Erinnerungen in Oldenburg. So sollten nach der Saison 2003/04 die jeweils besten acht Mannschaften der Staffeln Niedersachsen/Bremen und Hamburg/Schleswig-Holstein zur künftigen Oberliga Nord zusammengefasst werden. Der VfB Oldenburg wurde Neunter.

Erfreuliches vom Schmerzpatienten

Über den sportlich auch nicht immer vom Glück verfolgten deutschen Formel-1-Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen schrieb eine britische Zeitung einst: „Sollte er sich dazu durchringen, seine Karriere zu beenden und das Bestattungsinstitut seines Vaters zu übernehmen, würden die Menschen vermutlich aufhören zu sterben.“ So oder ähnlich muss man sich wohl zuweilen als Anhänger des VfB Oldenburg fühlen.

Am vorläufigen Tiefpunkt der Vereinsgeschichte angekommen, erwacht jedoch neues Leben rund um den Marschweg. Der Vorstand um Frank Lachmann, der dem langjährigen Präsidenten Klaus Berster ins Amt gefolgt ist, entwickelt derzeit ehrgeizige Pläne, die an die Stelle früherer Blütenträume treten sollen. Für 300.000 Euro will der VfB Oldenburg ein Jugendleistungszentrum bauen, mit dessen Hilfe Talente aus der gesamten Weser-Ems-Region systematisch ausgebildet werden sollen.

Zu den Baukosten sind Betriebskosten von jährlich 100.000 Euro veranschlagt, gut ein Drittel davon werden zunächst über Fördermaßnamen des DFB abgedeckt. Der eigentliche Etat für die Jugendförderung soll bei 150.000 Euro liegen, für einen Landesligisten eine enorme Summe. Mit diesem Vorhaben beabsichtigt der VfB Oldenburg nicht nur, an seine bestehende Tradition als Sprungbrett für junge Spieler anzuknüpfen.

Langfristig soll das Leistungszentrum auch einen wesentlichen Beitrag zur sportlichen Renaissance erbringen. Man fühlt sich schließlich nicht wirklich wie ein Landesligist. Um aber von der eigenen Jugendarbeit auch profitieren zu können, muss die derzeitige Spielklasse so schnell wie möglich verlassen werden. Derzeit bemüht sich der VfB um den Aufstieg in die Oberliga, mittelfristig soll am Marschweg aber wieder Regionalligafußball gespielt werden.

Allerdings sollte man sich in Oldenburg dringend den Sommer 2008 vormerken, wenn die vom DFB angeschobene Regionalliga-Reform greift und die obersten Amateurligen erneut gehörig durcheinander gewirbelt werden. Wie das für gewöhnlich ausgeht, weiß man ja. (thm)
http://hallofussball.de/sport/hallofuss ... nburg.html

Verfasst: 16.11.2006 20:06
von jukej
Es schmerzt, den ganzen Kram nochmal durchlesen zu müssen !

Aber wir können nicht immer nur Pech haben.
So etwas gibt es doch gar nicht.

Ich glaube 2008 wird ein gutes Jahr für unseren VfB.

Verfasst: 16.11.2006 20:09
von Zachi
:cry:

Verfasst: 16.11.2006 20:16
von MarS
Ich sehe noch nicht, wie 2008 nicht wieder übel enden soll... :cry:

Habe übrigens noch nie darüber nachgedacht, dass es '92 ja nur zwei statt drei Aufsteigern gab. Unglaublich...

Verfasst: 16.11.2006 20:57
von Feuerlein
2008?
da sind wir gerade meister in der oberliga geworden ;)

Verfasst: 16.11.2006 21:54
von Uwe
Naaa, wer hat den Fehler im Artikel gefunden?

....genau: Donnerschwee wurde nicht von der Stadt sondern von irgendeinem Windhund gekaut. Und bei den Geldbeträgen handelt es sich wohl um DM Beträge, nicht um Euronen...

Verfasst: 16.11.2006 22:41
von blauerkranich
Falsch Uwe! Erst hat die Stadt gekauft und dann weiterverkauft.

Verfasst: 17.11.2006 00:20
von neo
Macht ganz schön depressiv der Artikel :(

Verfasst: 17.11.2006 00:57
von ewigfan
mal himmel und mal hölle, "Hiob führt Regie" , der arsch hat keine chance, denn die blauen sterben nie!!

nachdem wir das alles durchlebt haben, kann uns nichts erschrecken!!
wir sind V f B ! !

Verfasst: 17.11.2006 07:27
von Schwede
Puh, gerade erst aufgestanden und schon ein solcher Tritt in den Magen. :?

Kann doch eigentlich nur besser werden, das Pech sollte mittlerweile abgearbeiet sein.

PS: aber der Vergleich mit H.-H. Frentzen ist mal nen Knaller. :lol:

Verfasst: 17.11.2006 08:09
von Soccer_Scientist
Uwe hat geschrieben:Naaa, wer hat den Fehler im Artikel gefunden?
Es waren nicht 4 Spielzeiten in der 2. Bundesliga, sondern fünf.

Verfasst: 17.11.2006 08:46
von Craim
vorschlag für einen neuen Lehrstuhl an der Uni Oldenburg im Fachbereich Geschichte des VfB Oldenburg...

Uwe mit gleichberechtigten Soccer Scientist

Verfasst: 17.11.2006 09:14
von Felissilvestris
Uwe hat geschrieben:Naaa, wer hat den Fehler im Artikel gefunden?
Wir sind zwar ligentechnisch weit gesunken, aber wir sind immer noch ein Verbandsligist und kein Landesligist!

Verfasst: 17.11.2006 17:24
von Uwe
Jost: Bist Du Dir da ganz sicher? Meines Wissens sollte die Stadt kaufen, damit der VfB weiter zur Miete in Donnerschwee kicken kann. Urplötzlich ist dann ein Rückzieher seitens der Stadt gemacht worden und es wurde an besagten Windhund verkauft...

Verfasst: 18.11.2006 10:24
von Zachi
Ich meine auch, dass es nicht an die Stadt ging, sondern direkt an den Windhund.

Verfasst: 18.11.2006 15:18
von JohnnyB
Das tut wirklich weh diese ganzen Schicksalsschläge nochmal wieder zu lesen...

Naja wie heißt es so schön:
Todgesagte leben länger und wir sind noch dabei!!!

Ich bin stolz auf diesen Verein und ich bin fest davon überzeugt, dass wir es im Falle eines Aufstiegs und einem guten Konzept für die nächste Saison nächstes Jahr schaffen könnten unter die ersten 4 zu kommen und damit in der "neuen Regionalliga" zu sein.

Forza VfB

Verfasst: 19.12.2006 09:09
von Soccer_Scientist
Auf der gestrigen Ratssitzung wurde auch die Änderung des Flächennutzungsplan für das alte VfB-Stadion beschlossen.

Verfasst: 19.12.2006 09:14
von Sandra
Und, was ist geändert?

Verfasst: 19.12.2006 09:20
von Soccer_Scientist
Änderung Nr. 28 des Flächennutzungsplanes 1996 (ehemaliges VfBStadion)
- Prüfung der Stellungnahmen
- Feststellungsbeschluss

Beschlussvorschlag:

Die vorgebrachten Stellungnahmen werden lt. Anlage geprüft.
Die Änderung Nr. 28 des Flächennutzungsplanes für die Fläche des ehemaligen VfB-Stadions
im Bereich Donnerschweer Straße/Wehdestraße wird beschlossen.

Begründung:

Um die gemischten Bauflächen und die Wohnbauflächen im Geltungsbereich aufzuheben
und die Voraussetzungen für Sonderbauflächen für großflächigen Einzelhandel schaffen zu
können, hat der Verwaltungsausschuss der Stadt Oldenburg (Oldb) am 25.09.2006 beschlossen,
den Flächennutzungsplan zu ändern und den Entwurf der Änderung Nr. 28 öffentlich
auszulegen. Der Entwurf hat vom 06.10.2006 bis zum 08.11.2006 öffentlich ausgelegen.
Nach Prüfung der Stellungnahmen kann nunmehr die Änderung Nr. 28 des Flächennutzungsplanes
mit Begründung beschlossen werden.

Finanzielle Auswirkungen:

Der Stadt Oldenburg entstehen keinen Kosten.
Und nach Forderung der IHK sind nur 200 Stellplätze nötig. Man will halt die Innenstadt stärken.

Verfasst: 19.12.2006 14:11
von Senf
Soccer_Scientist hat geschrieben: Und nach Forderung der IHK sind nur 200 Stellplätze nötig. Man will halt die Innenstadt stärken.
Und der Ausbau des Familacenters wird durch die, im P+R-System bedingt liegenden, Synergieefekte eine zusätzliche Stärkung der Innenstadt hervorbringen! Es geht voran!
Armes Donnerschwee.