Mit der Macht des Webs für die "Hölle des Nordens"
Verrückte Sponsorensuche für Stadionbau via YouTube
YouTube und die Macht des Internets werden zunehmend zur Verbreitung verrückter Ideen genutzt. Aktuelles Beispiel: In Oldenburg soll ein neues Fußballstadion gebaut werden - ausschließlich mit privat gesammelten Mitteln. Ein schräges Video sorgt dafür, dass ganz Deutschland Wind von der Idee bekommt.
von Jan Spekker, 11.02.2007
Für Fußballfans war es in den 80er Jahren die "Hölle des Nordens": das alte Fußballstadion des damaligen Zweitligisten VfB Oldenburg. Doch der einstige Glanz ist längst verpufft, heute kickt der VfB in der fünften Liga und das von den Fans innig geliebte Stadion wurde zunächst verkauft und dann abgerissen. Doch die Oldenburger leben derzeit den Traum von einem neuen, bundesligareifen Fußballstadion. Grund dafür: Eine Software-Firma, ein Architektenbüro und ein Projektentwickler planen für 20 Millionen Euro ein neues Stadion zu bauen " finanziert mit privaten Geldern.
Auf geschickte Weise nutzen die Oldenburger Visionäre die vielfältigen Möglichkeiten des Internets. So wurde zunächst ein äußerst verrücktes und trashiges Video produziertet, in dem sie sich, das geplante Stadion und ihre Finanzierungsideen vorstellen. "Firmenvideos sind normalerweise sehr sachlich und allein darauf bedacht, einen guten Eindruck zu machen. Dieses Video zeigt, dass sich die Verantwortlichen auch selbst auf die Schippe nehmen können - das ist sehr selten", analysiert PC-Fachjournalist Carsten Scheibe. "Dass da ein Geschäftsführer über den anderen sagt, dass sein Porsche versteigert wird, der Besitzer das aber noch gar nicht weiß, das ist doch witzig. Oder das der Architekt plaudert und im Anschluss sagt, dass er genau das doch gar nicht verraten wollte",
Gezielt wurde der dreiminütige Film auf dem weltweiten Videoportal YouTube platziert und entwickelt sich hier zum absoluten Kult - binnen weniger Tage sogar zum meistgeschauten File Deutschlands. "Wir haben ein professionelles Video erstellt, das aber bewusst unprofessionell wirkt. Schließlich werden nur verrückte Filme bei YouTube ein Erfolg", gibt Projektentwickler Rolf Hilchner offen zu. "Online-Videos werden schon bald ganz normales Marketing für jede Firma sein, das dauert nicht mehr lange. Videodesigner wird DER neue Beruf in der IT-Branche sein", fügt Carsten Scheibe hinzu.
Steine und Porsche
Knapp 20.000 Euro brachte bisher der außergewöhnliche Spendenaufruf ein. Deutlich zu wenig, um auch nur das Fundament des geplanten Stadions gießen zu können, deshalb werden seit einigen Tagen zusätzlich so genannte "SoccerStones" für je 25 Euro übers Internet verkauft. 850.000 dieser Steine gibt es - so viele, wie für den Bau des Fußballstadions auch tatsächlich benötigt werden. Die Steine sind analog zu einer Torwand mit zwei eingefrästen Löchern versehen, so dass mit Hilfe einer beiliegenden TippKick-Figur die Anschaffung auch als spezielles Tischfußball-Spiel genutzt werden kann. "Würde es uns gelingen alle 'SoccerStones' an den Mann zu bringen, dann wären schon über 21 Millionen Euro zusammen", so Hilchner.
"Tausche Porsche gegen Stadion" wäre vielleicht eine passende Überschrift für eine weitere Aktion der Oldenburger Kreativen. Damit das Spendenkonto weiter wachsen kann, wird bis zum 15. Februar der 911er Porsche des Marketing-Chefs auf eBay versteigert. 33 Gebote liegen für den schnellen Flitzer bereits vor.
Ein Euro pro Pixel
Auch die Idee der Eine-Million-Dollar-Homepage wurde von den Oldenburgern aufgegriffen. Unter "PixelSoccer.de" steht eine leere Fläche im Internet zur Verfügung, auf der Unternehmen und Fußballfans Felder mieten können. Jeder Pixel entspricht dabei einem der 850.000 zum Stadionbau benötigten Klinkersteine und kostet einen Euro.
Carsten Scheibe verfolgt die Entwicklungen in Oldenburg mit starkem Interesse: "Das Einmalige ist zunächst, dass hier erstmals Privatpersonen und Firmen mit Eigeninitiative versuchen, ein Fußballstadion zu planen, zu finanzieren und zu bauen", sagt der PC-Fachjournalist. "Einmalig ist aber sicherlich auch, dass so viele Leute Hand in Hand arbeiten, um mit ungewöhnlichen und sehr einfallsreichen Internet-Aktionen das benötigte Geld zusammenzubekommen. Gelingt dies, wird dies sicherlich viele Nachahmer finden".
Heiße Diskussionen
Große Aufmerksamkeit wird dem YouTube-Video und den verrückten Online-Aktionen rund um den Stadionbau vor allem in den Webforen der einzelnen Fußballvereine zuteil. Besonders die Mischung aus norddeutschem Idealismus und Marketinggeschick wird heiß diskutiert. "Hier versuchen ein paar Leute etwas auf die Beine zu stellen, was mit öffentlichen Mitteln in den nächsten 1000 Jahren nicht möglich wird", schreibt ein Fan von Hansa Rostock, dessen Team am Sonntag zu einem Benefizspiel zugunsten des neuen Stadions in Oldenburg aufläuft.
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"Werde das Gefühl nicht los, dass das eine riesige Werbeaktion ist", moniert hingegen ein Dortmunder Fan. Projektentwickler Rolf Hilchner kontert: "Die Leute können einfach nicht glauben, dass wir so verrückt sind und diese wahnsinnige Arbeit in das Projekt steckt, ohne etwas dabei zu verdienen". Für einen Fußballfan aus Heilbronn steht jedenfalls fest: "So eine tolle Aktion habe ich für den Fußball noch nie erlebt! Ich kenne weder Oldenburg noch seinen Fußball, aber für dieses Projekt spende ich lieber als für viele andere Dinge!"
"Höhere Gefilde"
Selbst im Forum des Herbstmeisters Werder Bremen wird nach Oldenburg geschaut: "Schön wäre es schon, wenn der VfB mit so einem Stadion wieder zurück in höhere Gefilde finden würde. Das Einzugsgebiet ist groß und nirgendwo dort gibt es etwas Vergleichbares." Und Oldenburgs Oberbürgermeister Dr. Gerd Schwandner kommt - passenderweise in einer Online-Kolumne - zu dem Schluss: "Am Anfang vieler großer Erfolge stand erst einmal eine verrückte Idee. Wer weiß, ob es hier nicht vielleicht auch so ist?"
Quelle:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/ ... 86,00.html