Vielen Dank für die zahlreichen, sachlichen und wertvollen Beiträge. Ich denke, die Diskussion war längst überfällig und ich halte es für sinnvoll, sie weiter auf diesem Niveau zu führen. Wer weiß, inwieweit sie noch nützlich sein kann für Vereinsverantwortliche und Fans in Hinblick darauf, was wir alle gemeinsam dafür tun können, den VfB voran zu bringen. Ich habe mir auch ein paar Gedanken gemacht und sie mal themenbezogen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit zusammengefasst.
Sportliche Identifikationsmomente
Ich persönlich (und ich gehe mal davon aus, dass es dem Großteil hier so gehen wird) habe meinen Weg zum VfB zunächst auch über sportliche Erfolge gefunden. Diese kann ich aber an einer Hand abzählen. Der VfB zeichnet sich primär dadurch aus, dass er die entscheidenden Spiele verliert. Das macht den #eshatnichtsollenseinverein (ich bin nach wie vor der Meinung, dass sich dieser Slogan gut verkaufen würde) aber irgendwie auch sympathisch. Schließlich läuft im Leben auch nicht immer alles rund. Vielleicht ist der VfB auch eine Art Gegenentwurf zum „modernen Fußball“. Die Oldenburger Rundschau hat vor ein paar Jahren mal einen empfehlenswerten Text über den „Charme des ewigen Verlierers“ geschrieben, mit dem ich mich sehr gut identifizieren kann und der ein Stückweit Bezug nimmt auf die Identität des Vereins:
https://www.oldenburger-rundschau.de/20 ... erlierers/" onclick="window.open(this.href);return false;)
Historie
Der VfB kann bekanntlich auf eine lange und interessante Geschichte zurückblicken. Gleichzeitig ist die Historie eine schwere Last. Denn noch immer wird der VfB an alten Erfolgen gemessen was zur Folge hat, dass viele eine zu hohe Erwartungshaltung an den Verein haben. Die Zeit gehört der Vergangenheit an und nichtsdestotrotz bekommt man alle paar Jahre das Gefühl vermittelt, dass oftmals überstürzt versucht wird alles auf eine Karte zu setzen, um sportlich möglichst schnell wieder an vergangene Zeiten anzuknüpfen während gleichzeitig andere, wichtige Dinge im Verein vernachlässigt werden. Anschließend folgen Enttäuschung, Ernüchterung und personelle Wechsel. Sicherlich wäre es schön,langfristig auch wieder sportlichen Erfolg zu haben. Allerdings bin ich der Meinung, dass dies nur möglich ist, wenn so etwas langfristig geplant wird und das dazugehörige Umfeld und die Strukturen stimmen. Alle müssen gemeinsam an einem Strang ziehen und gemeinsame Visionen entwickeln. Dies sehe ich jedoch als nicht gegeben an. Dafür gibt es zu viele Personen, die ihre persönlichen Interessen oben an stellen und zum Teil polarisieren. Hinzu kommen Personen, die seit vielen Jahren beim oder im Umfeld vom VfB aktiv sind, nach wie vor in der Vergangenheit leben und anderen, die neue Ideen und Visionen haben, keine Chance geben, diese zu verwirklichen. Alter, verkrustete Strukturen...
Stadion
Ich habe Fußball im Donnerschweer Stadion nicht mehr erleben dürfen und kenne es nur von der Bunten Liga und als es zwischenzeitlich besetzt gewesen ist. Natürlich sind mir die zahlreichen Anekdoten und Erinnerungen wohl bekannt und wenn ich davon höre oder lese wird mir warm ums Herz. Ich bin im Marschwegstadion mit dem VfB sozialisiert worden und es verbindet mich eine Art Hassliebe zu dem Ground. Das Stadion hat aus meiner Sicht nicht viel zu bieten (nicht mal Flutlicht!). Ein Besuch, der auf der Gegengerade (9 Euro) minimal billiger ist als ein Stehplatz bei Werder Bremen (13 Euro) ist alles andere als attraktiv. Das Catering ist wahrlich eine Katastrophe. Schales Bier zu überteuerten Preisen und eine generelle Abnahme des Angebotes sprechen leider für sich. Bei den lauten Boxen bluten mir die Ohren ebenso wie bei der Musik die teilweise gespielt wird. Und dann wird mit einer Dampfmaschine auch noch versucht, Bundesligafeeling herzustellen. Fehlt nur noch ein Maskottchen. Neben einer Verbesserung des Caterings und der Musikauswahl könnte die Atrraktivität lediglich dadurch verbessert werden, indem z.B. in Absprache mit der Stadt Flächen zur Verfügung gestellt werden, die von den Fans bemalt und gestaltet werden. Ein Wellblechdach auf der Gegengerade würde zu besserer Stimmung beitragen. Ganz zu schweigen von Flutlicht (Freitagabendspiele wären ein Traum..aber dann beschweren sich wahrscheinlich die Anwohnenden und es gibt das nächste Problem). Die Frage ist, ob es sich lohnt, das Stadion aufzuwerten oder ob die Initiative für ein Neues nochmal neu belebt werden kann. Leider haben einige Personen, die sich damals eingebracht haben, dem VfB inzwischen den Rücken gekehrt. Auch, weil die Unterstützung der handelnden Personen ausblieb oder wichtige Termine von ihnen nicht wahrgenommen wurden. Leider, so scheint es mir, ist der Zug diesbezüglich vorerst abgefahren.
Außendarstellung
Es ist gar nicht so einfach, die Außendarstellung vom VfB zu beschreiben, wenn man sich selbst in einer blau weißen Filterblase bewegt. Ich habe den Eindruck, dass viele den VfB in seinem Auftreten seit vielen Jahren als großkotzig erleben, was mit besagter Historie zu tun hat („wir waren mal groß und sind es immer noch“). Hinzu kommen zahlreiche Menschen und Unternehmen, die über die Jahre Geld in den VfB gesteckt aber nichts zurück bekommen haben, weil sie vermutlich auch nicht vernünftig „betreut“ wurden. Nicht gezahlte Rechnungen und Schulden spielen sicherlich auch eine Rolle. Goslar 2009 war seitens der Fans auch nicht förderlich für den VfB. Das hängt vielen immer noch nach. Spielplakate wären wieder wünschenswert. Am besten in Verbindung mit einer geschickten Werbekampagne (die Plakataktion aus der Niedersachsenligazeit hatte in der Tat etwas besonderes, aber anscheinend hat man es sich auch mit diesen Verantwortlichen verscherzt). Allerdings sollten sich Werbemaßnahmen deutlich von denen der Baskets und vom VfL abheben. Oft hatte ich den Eindruck, dass versucht wird, mit denen mitzuhalten. Der VfB sollte etwas eigenes entwickeln möglichst etwas, was nicht 08/15 und bei jedem Fußallverein zu finden ist. Selbiges gilt auch für das Merchandise. Geschmäcker mögen bekanntlich unterschiedlich sein. Qualitativ hochwertig finde ich die Fanartikel allerdings nicht. In der Fanzsene gibt es Menschen, die es besser machen. Vielleicht sollte mit ihnen zusammen gearbeitet werden (funktioniert bei anderen Vereinen z.B. TeBe Berlin auch sehr gut). Was unter Herrnberger und Barysch gut lief, waren Schulangebote verbunden mit Freikartenaktionen oder auch Vorträge an selbigen oder in Unis in Kooperation mit dem VfA zu gesellschaftlichen Themen,wo jeweils Freikarten (apros pros: warum gibt es keine Freikartenaktion mehr für Erstis an der Uni?) verteilt wurden. Oder auch die regelmäßige Ausabe von Freikarten an Geflüchteteninitiativen oder caritativen Organisationen in Oldenburg und der Region. Das hat sich innerhalb der Stadt positiv herum gesprochen, wurde aber leider mit dem personellen Wechsel nicht weiter geführt. Daran sollte wieder angeknüpft werden.
Vereinsleben und Kommunikation
Der VfB hat meines Erachtens kein richtiges Vereinsleben und ich habe leider auch den Eindruck, dass die Verantwortlichen gegenwärtig auch keinen Wert darauf legen. Unter Barysch und Herrnberger wurde versucht, dies zu ändern. Die Fan- und Förderabteilung und weitere Abteilungen wurden gegründet, das Sommerfest wiederbelebt um die VfB Gemeinschaft und somit auch das Vereinsleben zu fördern. Mit Fans und Vereinsmitgliedern gab es monatliche Treffen, bei den gemeinsam Ideen entwickelt wurden, wie der VfB voran gebracht werden kann. Die Verantwortlichen waren per Mail und telefonisch ansprechbar und immer offen für neue Ideen. Einige der gemeinsamen Ideen haben sich als nachhaltig erwiesen, andere widerum haben sich in Luft aufgelöst. Aber es war auf jeden Fall Bewegung im Verein und man hatte das Gefühl, gemeinsam den VfB voran bringen zu können. Vor den beiden fand ebenfalls eine Kommunikation mit den Vereinsverantwortlichen statt, aber selten auf Augenhöhe wie zu dieser Zeit. Mit dem Weggang der beiden trat Gegenteiliges in Kraft. Ich habe die Kommunikation zwischen Fans, Vereinsmitgliedern und Vereinsverantwortlichen noch nie so schlimm erlebt wie jetzt. Es entstand bei vielen Menschen der Eindruck, dass den Verantwortlichen nichts an seinen Fans liegt, was unter anderem in zahlreichen Vereinsaustritten von langjährig verbundenen VfB Fans mündete. Ich bin mir ziemlich sicher, dass zahlreiche Streitigkeiten im vergangenen Jahr hätten verhindert werden können, wenn vernünftig miteinander kommuniziert worden wäre. In diesem Jahr trat diesbezüglich leider keine bzw. nur eine bedingte Besserung ein. Auf Kooperationsangebote wurde wenig bis kaum reagiert. Dies führte zwangsläufig zu weiterer Enttäuschung und Frust bei einigen Personen. Ein weiteres Beispiel dafür ist der Kramermarktsumzug. Während in den letzten Jahren die Fanszene aktiv mit einbezogen wurde, indem diese dem Wagen ein Motto gab und entsprechende Banner malte, wurde in diesem Jahr darauf verzichtet. Nichtsdestotrotz finde ich es gut, dass sich die FuFa trotz alledem bemüht hat, etwas auf die Beine zu stellen (vielen Dank dafür!) und perspektivisch soll ja auch wieder versucht werden, die Fans mehr mit einzubeziehen.
Was außerdem auffällig ist, dass es nur noch um die Erste Mannschaft geht. In der Stadionzeitung und in den Sozialen Medien werden die anderen Abteilungen beim VfB gänzlich vernachlässigt, was zu entsprechenden Unmut führt. Dieser wurde im Übrigen auch schon auf der letzten Delegiertenversammlung thematisiert und zugesichert, dass sich da etwas ändert. Geändert hat sich allerdings nichts. Gefühlt, hat sich die Situation sogar noch verschlechtert. Wenn der VfB auf ein starkes Umfeld setzten und die Marke als solche stärken möchte, dann darf er die anderen Abteilungen nicht vernachlässigen. Hier sollte dringlichst ein Umdenken stattfinden.
Fanszene
Der Hauptgrund warum ich noch zum VfB gehe, sind die unterschiedlichen Menschen, die ich dort antreffe. Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Schichten. Menschen, mit denen ich im Alltag womöglich sonst nie in Kontakt treten würde. Dreh- und Angelpunkt neben Spielen des VfB ist das selbstverwaltete Fanprojekt, in dem sich Menschen verschiedenster Generationen über den VfB austauschen. Über das, was ich in all den Jahren schon alles im Fanprojekt erleben durfte, könnte ich (und andere sicherlich auch) ganze Bücher schreiben. Für mich sind die aktiven Fans DAS Aushängeschild vom VfB schlechthin und der Verein kann sich glücklich schätzen, dass er eine so aktive Fanszene hat, der es gelingt, auch noch jüngere Menschen unabhängig von sportlichen Erfolgen für den VfB zu begeistern. Neben diversen Fanaktionen und Choreografien im Stadion, die ehrenamtlich tage- und nächtelang vorbereitet wurden, werden unterschiedliche Veranstaltungen organisiert und caritative Aktionen durchgeführt. Meine persönlichen Highlights mit der Fanszene waren neben dem einen oder anderen Spiel der gemeinsame Kick zwischen den VfB Oldenburg und Bewohnenden der kommunalen Gemeinschaftsunterkünfte, die Teilnahme am CSD, der Gewinn des Julius Hirsch Preises (über den der VfB bundesweit in den Medien präsent gewesen ist) und nicht zuletzt auch die gemeinsame Gedenkstättenfahrt zusammen mit einem Angehörigen des VfB Gründers Hirschticks in das Vernichtungslager Auschwitz. Diese Aktionen haben deutlich gemacht, dass der VfB mehr als nur Fußball sein kann und soziale und gesellschaftliche Verantwortung trägt. Die Aktionen wurden von vielen Menschen in der Oldenburger Öffentlichkeit positiv wahrgenommen und haben dazu beigetragen, dass Fans nicht auf Spiele wie Ramlingen- Ehlershausen oder Goslar reduziert werden. Mal ganz davon abgesehen, dass die Fanszene im Vergleich zu anderen eine sehr friedliche ist und es nur selten zu Zwischenfällen kommt. Perspektivisch muss der VfB wieder verschärft auf seine Fans und Vereinsmitglieder zugehen und auch gemeinsame Aktionen dieser Art fördern.
Soweit erstmal. Mir fällt bei Gelegenheit bestimmt noch mehr ein, bin aber erst einmal gespannt, was es sonst noch für Anmerkungen, Kritik und Ideen gibt.