Fußballmuseum Dortmund

Andere Vereine, andere Ligen, andere Fans

Moderatoren: Soccer_Scientist, Kane, kalimera

Antworten
Benutzeravatar
Dino
VfB-Wahnsinniger
Beiträge: 11873
Registriert: 26.07.2005 14:37
Wohnort: Elberfeld

Fußballmuseum Dortmund

Beitrag von Dino »

Das DFB-Fußballmuseum in Dortmund startet am kommenden Sonntag eine Sonderausstellung unter dem Titel „„Herbergers Welt der Bücher - Die unbekannten Seiten der Trainer-Legende“.
Grundlage dieser Ausstellung ist die etwa 1.500 Bände umfassende private Bibliothek des ehemaligen Reichs- und Bundestrainers Josef „Sepp“ Herberger, die dieser der nach ihm benannten Sepp-Herber-Stiftung vermacht hat. Erst jetzt, 40 Jahre nach seinem Tod, ist diese Hinterlassenschaft wissenschaftlich ausgewertet und wird durch die anstehende Sonderausstellung im Fußballmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Bemerkenswert, dass etwa in der durchaus interessanten und lesenswerten Herberger-Biographie des 2013 verstorbenen Journalisten Jürgen Leinemann („Sepp Herberger - Ein Leben, eine Legende“, München 2004) dieser Aspekt des Lebens und Wirkens von Sepp Herberger nicht thematisiert wird. Soweit ich weiß (mich erinnere), auch und erst Recht nicht in der Herberger-Biographie von Karl-Heinz Schwarz-Pich („Der Ball ist rund. Eine Seppl-Herberger-Biographie“, erschienen schon 1996).
Dabei war durchaus bekannt, dass Herberger sehr viel Zeit und Energie in strategischen Überlegungen, das Austüfteln von taktischen Konzepten und in Methoden und Maßnahmen der psychologischen Beeinflussung gesteckt hat. Seine prägnanten Kurzformeln, mit denen er Sachverhalte einprägsam auf einen Begriff zu bringen wusste, bilden ja bis heute einen beliebten Fundus von Zitaten, die bei passender Gelegenheit immer wieder verwendet werden.
Bekannt war auch, dass der aus ärmsten Verhältnissen stammende Herberger nach dem frühen Tod seines Vaters schon mit 12 oder 13 Jahren die Schule zu verlassen musste, um durch Arbeit zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Dass er sich im starken Maße autodidaktisch Wissen angeeignet hat, bis er dann 1926 mit einer Sondergenehmigung an der Hochschule für Leibesübung zum Studium zugelassen wurde, gehört ebenfalls zu den bekannten Details seiner Biographie.
Für mich überraschend, was für ein Spektrum an unterschiedlichen Sachgebieten und Autoren die Herbergersche Bibliothek umfasst. Der von den Nazis zur Emigration gezwungene Philosoph Ernst von Aster, der auch in etlichen Büchern psychologische Themen behandelt hat, ist ebenso vertreten, wie die Militär-Strategen Clausewitz und Mao Tse-tung. Dazu u. a. Machiavelli, Ringelnatz, Platon, Schiller, Dale Carnegie („Wie man Freunde gewinnt“, „Sorge Dich nicht, lebe“) und noch etliche weitere Autoren. Offensichtlich hat Herberger diese Autoren gründlich studiert und sie auf für ihn verwertbare Erkenntnisse hin „abgeklopft“.
Auch wenn Herberger in Sachen Strategie und Taktik von Clausewitz und Mao gelernt hat, hat er es doch wohl in einer adäquaten Weise auf den Fußballsport übertragen. Ein militärähnlicher Drill und eine Befehlstaktik waren ihm fremd. Darin unterschied er sich schon früh von seinem einstigen Mentor und Vorgänger (als Reichstrainer) Otto Nerz. Herberger war ein Trainer, der seinen Spielern Eigenverantwortung abverlangt hat und der ihnen dafür auch die notwendige Freiheit zum situativen Handeln eingeräumt hat, „Auftragstaktik“ eben.
Die Sonderausstellung im Dortmunder Fußballmuseum werde ich mir sicherlich, wohl schon im April, ansehen.
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“
(Albert Camus)

Antworten