Das Leipziger Fußballdrama

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REINER
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Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Durch den Film "Kategorie C" bin ich auf die Leipziger Fuballszene aufmerksam
geworden: Rechts gegen links, alt gegen jung, Ultras gegen Hools und alle gegen Red Bull. Das kann noch heiter werden.....
Zuletzt geändert von REINER am 26.07.2010 17:13, insgesamt 1-mal geändert.
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REINER
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Stellungnahme und Aufruf des Vorstandes des 1. FC Lok Leipzig07.10.2009
Liebe Fans, Freunde, Sympathisanten, sehr geehrte Förderer und Sponsoren,

der fünfköpfige Vorstand des 1. FC Lok Leipzig gibt folgende Stellungnahme, unter anderem zu den Vorkommnissen nach dem Punktspiel der BSG Chemie Leipzig am vergangenen Sonntag, ab:

„Mit Bestürzung hat der 1. FC Lok Leipzig die erneut ausufernde Brutalität zur Kenntnis genommen und verurteilt ausdrücklich den gewalttätigen Angriff von militanten Neonazis auf Fans der BSG Chemie Leipzig. Unsere Wünsche gelten der schnellsten Genesung des Schwerverletzten. Wir plädieren ausdrücklich dafür, dass mit Hilfe der Opfer, Zeugen und von Beweisen durch Polizei und Staatsanwaltschaft für lückenlose Aufklärung gesorgt werden kann, um die Täter rechtskräftig zu verurteilen.

Mit allem Nachdruck widerspricht der 1. FC Lok jeglichen Vorwürfen und Anschuldigungen, dass einzelne Täter direkt mit dem Verein in Verbindung gebracht werden. Ein sich öffentlich zu dem Überfall bereits bekennender Beteiligter hat seit Frühjahr 2007 Hausverbot auf dem Vereinsgelände und im Bruno-Plache-Stadion sowie seit 2008 ein NOFV-weites Stadionverbot. Vier weitere Sanktionen in Form von Haus- und NOFV-weitem Stadionverboten hat der 1. FC Lok aufgrund der Vorkommnisse in dieser Woche verhängt. Bei weiterer Identifizierung von beteiligten Personen, die sich ihrer Meinung nach als Anhänger des Vereins sehen, wird der 1. FC Lok konsequent die Mittel des Haus- und NOFV-weiten Stadionverbotes durchsetzen.

Die anhaltenden Auseinandersetzungen haben - wenn überhaupt jemals ein Bezug dazu verortet werden durfte - die Rivalität im Rahmen des Fußballs seit langer Zeit verlassen. Wie bereits betont, versuchen dennoch einzelne Personen kontinuierlich den 1. FC Lok als Plattform politisch rechtsextremer und gewalttätiger Ideologien auszunutzen und zu missbrauchen. Damit gerät das über Jahre hinweg von unzähligen Mitgliedern, ehrenamtlichen Helfern, Fans, Freunden, Sponsoren und Förderern Aufgebaute in Gefahr. Das wird der 1. FC Lok nicht zulassen. Er verurteilt diese dem Verein und seinen Grundsätzen in höchstem Maße schädliche Bestrebungen auf das Schärfste und wird auch in Zukunft konsequent alles ihm Mögliche unternehmen, um dies zu verhindern.

Trotzdem sind wir uns im Klaren, dass dem 1. FC Lok aufgrund jeglichem dem Verein zutiefst schädigenden Verhalten - sei es an Spieltagen oder darüber hinaus - Ansehen, Fans, Förderer und Sponsoren verloren gehen und Neue auch deshalb erst gar nicht gewonnen werden können. Vor allem ohne die überwältigend große Anzahl von Fans wäre diese sportlich einmalige Erfolgsgeschichte nicht möglich gewesen. Offizielle, Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer, Spielerinnen und Spieler und vor allem die Fans repräsentieren den Verein in der Öffentlichkeit. Deshalb rufen wir alle Fanclubs, Fans und Sympathisanten des 1. FC Lok nachhaltig zu fairem, respektvollem, tolerantem und friedlichem Verhalten auf. Achtet aufeinander, provoziert nicht und lasst euch nicht provozieren, meidet aufkommende Konfliktsituationen, lebt euch gegenseitig positive Leidenschaft zum Wohle des 1. FC Lok vor. Nicht zuletzt die Fans bilden einen der wichtigsten Bestandteile für eine erfolgreiche Zukunft des Vereins.

Mitglieder, die grob gegen die Identität, die Grundsätze und das Interesse des Vereins verstoßen, werden nach Paragraf 11 Absatz 4 (a, b, c und d) der Vereinssatzung aus dem Verein ausgeschlossen und können einschließlich mit Haus- und NOFV-weitem Stadionverbot bestraft werden. Bei Personen (Nicht-Mitglieder), die dagegen verstoßen und ein derartig schädigendes Verhalten an den Tag legen, stehen dem Verein einzig die äußersten Mittel des Haus- und/oder NOFV-weiten Stadionverbotes zur Verfügung.

Für den 1. FC Lok spielen mehr als 350 Fußballerinnen und Fußballer, Frauen, Mädchen, Männer und Jungen aus 13 Nationen (unter anderem in 14 Nachwuchsmannschaften), der Verein ist mit 1.726 Mitgliedern der zweitgrößte Fußballclub im Freistaat Sachsen. Wir können uns nur erneut wiederholen, dass der 1. FC Lok im Bewusstsein seiner gesellschaftlich-sozialen Verantwortung neben dem betriebenen Leistungssport für eine aktive und erfolgreiche Jugend-, Sozial- und Integrationsarbeit steht. Er lehnt - wie in der Vereinssatzung fest verankert - jegliche Form von Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt ab. Unter anderem wird der 1. FC Lok in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge mit verschiedenen Aktionen an der europaweiten FARE-Woche gegen Rassismus und Diskriminierung teilnehmen."
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

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mikrowellenpete
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von mikrowellenpete »

Eigentlich ist RB schon aus Sicherheitsgründen dazu verdammt, aufzusteigen.
"Die machen sich immer permanent Gedanken, wie kann man was reformieren. Da sitzen dann irgendwelche Leute in ihren dicken Sesseln, auf was weiß ich für einem Board, wie sich das nennt, Regelboardwerk oder wie die Heinis da oben heißen. Und entscheiden, so jetzt entscheiden wir mal." (Horst Heldt)

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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Red Bull reißt Leipzig aus dem Fußballschlaf

Sven Flohr 13. Juni 2009

Am Samstag wurde der Fünftligist SSV Markranstädt in Rasenball Leipzig umbenannt. Dahinter stecken die Millionen des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull, der dreieinhalb Jahre nach einem geeigneten Verein in Deutschland fahndete. In acht Jahren soll der Klub in der Bundesliga spielen.

Die Zukunft des deutschen Fußballs ist nicht ausgeschildert. Wer das örtliche Stadion von Markranstädt bei Leipzig sucht, muss den Hinweisen zum Freibad folgen. Im 5000 Zuschauer fassenden Stadion am Bad mit seiner schmucken Sitzplatztribüne soll in gut drei Wochen ein Klub sein erstes Training bestreiten, der erst am Montag gegründet wurde, sich aber langfristig an der Spitze der Bundesliga sieht. Er hört auf den merkwürdigen Namen Rasenball Leipzig und soll kommende Saison in der fünftklassigen Oberliga starten.

Dass sich in der Gründungsurkunde kein gängiger Klubtitel wie 1. FC oder VfL findet, hat Gründe. Hinter Rasenball Leipzig steckt mit „Red Bull“ einer der größten Sportsponsoren der Welt. Da es laut DFB-Statut verboten ist, einen Fußballklub ganz schnöde nach seinem Geldgeber zu benennen, wählte der Brausehersteller einen Namen, der wenigstens seinen Initialen entspricht: RB.

Dies dürfte einer der wenigen Kompromisse sein, den die Österreicher bei ihrem Einstieg in den deutschen Fußball eingehen werden. Mit welcher Vehemenz der Konzern das Hoffenheim des Ostens vorantreiben will, zeigt die Einschätzung eines Insiders. Michael Kölmel, Besitzer des Leipziger Zentralstadions und wichtiger Verhandlungspartner der Österreicher, sagt: „Wenn es schlecht läuft, steigt der Klub alle zwei Jahre auf. In acht Jahren in der Bundesliga zu sein, halte ich für ein realistisches Szenario, das niemanden zu sehr unter Druck setzt.“

Dreieinhalb Jahre fahndete Red Bull, das bereits in Salzburg und New York Fußballklubs betreibt, nach einem geeigneten deutschen Standort. Neben dem Problem der Namensgebung erschwerten besonders zwei Faktoren die Suche: Übernahmekandidaten wie Sachsen Leipzig oder Fortuna Düsseldorf hatten zu große Traditionen, schon das Bekanntwerden von Verhandlungen trieb die Fans auf die Barrikaden. Und: Im deutschen Profifußball ist es einem Investor verboten, mehr als 50 Prozent an einer ausgegliederten Kapitalgesellschaft zu besitzen. Der dazugehörige Verein muss die Mehrheit halten.

Selbst das alleinige Sagen zu haben, ist für Firmengründer Dietrich Mateschitz aber eine Grundvoraussetzung. Im Interview mit WELT ONLINE sagte er: „Wir können nicht das Risiko eingehen, nach einigen Jahren und Zahlungen in Millionenhöhe plötzlich von wem und aus welchem Grund auch immer mit einem Dankeschön verabschiedet zu werden.“ Dieses Risiko hat Mateschitz nun ausgeschlossen. Dank Holger Nussbaum.

Nussbaum ist ein Unternehmer, auf den Angela Merkel stolz wäre. Seine Familie macht in dritter Generation in Hydraulik und hat deutschlandweit 1200 Mitarbeiter, 250 davon in Markranstädt. Nussbaum, 40 Jahre alt, ist hier der Chef und im Ort hoch angesehen – unterstützt er doch seit vielen Jahren den Sportklub SSV Markranstädt, dessen Manager er auch seit einem Jahr ist. Sein Büro im ersten Stock einer Lagerhalle ist geschmückt mit Pokalen und Fußballfotos.

Nun könnte Nussbaum mit Platz sechs in der Oberliga zufrieden sein. Viel weiter kann ein Kleinstadtklub mit einem Etat von rund 300.000 Euro kaum kommen. Der Geschäftsführer im Polohemd will aber weiter und entwarf ein entsprechendes Konzept: „Es ging darum, wie wir einerseits größer werden, andererseits den Verein langfristig finanziell absichern können.“ Vor zwei Monaten legte Nussbaum den Plan Michael Kölmel vor. Der sitzt im benachbarten Leipzig auf einem defizitären 45.000-Mann-Stadion, in dem zwar AC/DC und Depeche Mode, aber keine Fußballer mehr spielen. Zuletzt kickte hier der mittlerweile insolvente Viertligist Sachsen Leipzig.

Kölmel sah seine Chance und schloss sich mit Red Bull kurz. Die Österreicher waren angetan und meldeten sich vor rund drei Wochen erstmals bei Nussbaum. Das Geschäft läuft wie folgt: Der SSV Markranstädt überträgt seine Oberligalizenz auf Rasenball Leipzig, das dadurch sofort in der fünften Liga starten darf. Für Red Bull besteht durch die Neugründung des Vereins auch künftig keinerlei Risiko, die Macht zu verlieren. Alle sieben Gründungsmitglieder des Rasenball Leipzig e.V. sind Red-Bull-Mitarbeiter oder -Vertraute. Der Präsident ist gar Spielerberater in einer großen deutschen Agentur.

Die Verträge in Salzburg und Markranstädt sind längst unterschrieben, einzig die Zustimmung des Nordostdeutschen Fußballverbandes zur Übertragung der Lizenz fehlte noch. Das Präsidium tagte am Samstag und stimmte der Namensänderung zu. Derzeit steht kein ostdeutscher Klub in der Bundesliga und sollte wieder mal einer aufsteigen, dürfte er wie zumeist gegen den Abstieg spielen. Red Bull könnte eine nie da gewesene Perspektive bieten. Die Firma will sich selbst jedoch zu finanziellen, personellen und sportlichen Entscheidungen erst nach Abschluss aller Formalitäten äußern.

Als sicher gilt, dass die Planungen langfristig sind. Ein Jahr soll die Mannschaft noch in Markranstädt spielen. Ist der Aufstieg gelungen, erfolgt der Umzug ins Zentralstadion, das spätestens dann einen neuen Namen bekommen wird. Red Bull hat sich die Namensrechte bei Kölmel bereits reserviert. „Der Vertrag läuft bis mindestens 2030. Plus einer Option auf Verlängerung“, sagt der Unternehmer. Gleichzeitig soll in Markranstädt der Unterbau des Profiteams mit der Zielsetzung dritte Liga eine Heimat finden. Red Bull will zudem das für Sachsen Leipzig nicht mehr finanzierbare Jugendleistungszentrum angliedern.

Kölmel erachtet „Zeitpunkt und Ort für den Einstieg Red Bulls als ideal“. Der VfB Leipzig gewann 1903 nicht nur die erste Deutsche Meisterschaft, in der sächsischen Metropole wurde auch der Deutschen Fußball-Bund gegründet. Heute leben hier 500.000 Einwohner, welche die ärmliche Wahl zwischen zwei fünftklassigen Klubs haben – Sachsen und Lok. Das Potenzial ist also enorm
.
Gegner des Projekts finden sich dennoch. Der Pressesprecher von Lok, das sich den Bundesliga-Aufstieg 2019 zum Ziel gesetzt hat, forderte diese Woche in einem Leserbrief an die lokale Zeitung Solidarität mit dem Traditionsverein ein. Und Vorfälle im beschaulichen Stadion am Bad könnten als Vorgeschmack auf die kommende Oberligasaison gedeutet werden, in der RB auf beide Leipziger Klubs und deren nicht immer friedlichen Fans treffen wird. Unbekannte beschmierten Ende der Woche Werbebanden mit Anti-Red-Bull-Parolen und ruinierten den Rasen mit Unkrautbekämpfungsmittel.
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Roberto
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Roberto »

Armes Leipzig... :?

REINER
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Geld schießt Tore:


1 (1) RB Leipzig 22 9 7 1 1 17:4 13
2 (2) FC Carl Zeiss Jena II 19 9 6 1 2 16:8 8
3 (4) FSV Budissa Bautzen 18 9 5 3 1 12:7 5
4 (3) Germania Halberstadt 15 9 5 0 4 17:10 7
5 (7) VfB Auerbach 1906 15 9 5 0 4 16:13 3
6 (5) FC Erzgebirge Aue II 14 8 4 2 2 14:10 4
7 (8) VfL Halle 96 14 9 4 2 3 15:12 3
8 (6) FC Sachsen Leipzig 14 9 3 5 1 9:7 2
9 (9) FC Rot-Weiß Erfurt II 14 9 4 2 3 12:13 -1
10 (10) Lok Leipzig 10 7 2 4 1 7:7 0
11 (12) SG Dynamo Dresden II 9 8 2 3 3 12:15 -3
12 (11) FSV Zwickau 9 9 2 3 4 8:12 -4
13 (13) VfB 09 Pößneck 8 9 2 2 5 7:16 -9
14 (14) SC Borea Dresden 6 9 2 0 7 10:17 -7
15 (15) 1.FC Gera 03 4 9 1 1 7 8:16 -8
16 (16) SV Schott Jena 3 9 0 3 6 2:15 -13
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Krieg um Leipzig

Geschrieben von Detlef Dresslein
Mittwoch, 21. Oktober 2009

Lok und Sachsen: Die beiden Clubs in der sächsischen Metropole hassen sich bis aufs Blut.
Doch jetzt haben sie einen gemeinsamen Feind: das „Projekt“ Red Bull.
Es will mit viel Geld und klebriger Limonade in Leipzig einen neuen Champions-League Club heranzüchten.
Ein Frontbericht aus der 5. Liga.
Draußen vor dem Stadion rennt ein Zehnjähriger zu seinen Eltern. Er trägt Grün-Weiß am Körper, in seiner Stimme liegt Entzücken: „Ich wurde schon Beleidigt“, sagt er stolz. Die Eltern nicken zufrieden, als hätte der Knirps erzählt, dass er sich erstmals die Schuhe alleine gebunden hat.
Es ist Lokalderby in Leipzig. Grün-Weiß sind die Farben des FC Sachsen aus dem Stadtteil Leutzsch.
Der Arbeiterverein, früher unter dem Namen BSG Chemie bekannt, für die Fans heißt er noch heute so.
Der größtmögliche Gegensatz kommt aus Leipzig-Probstheida, ist Blau-Gelb und heißt 1. FC Lok Leipzig. In der DDR der Verein der Parteibonzen.
Im Derby entlädt sich eine Rivalität, die schärfer, gnadenloser ist als irgendwo sonst in der Republik: „So wie hier ist es nirgends“, sagt Fan Uwe Herziger, der Vorsitzende des Fanclub-Verbandes des FC Sachsen Leipzig, „das ist Hass, Der blanke Hass.“
Begegnungen der beiden Lager erinnern an Bürgerkrieg. Der erste Zaun in einem deutschen Stadion wurde in Leipzig gebaut, 1965 im Chemie-Stadion in Leipzig-Leutzsch.
Auch den 27. August 1983 wird hier so schnell niemand vergessen, da eskalierte die Rivalität: 300 wutschnaubende Lokisten versprengten 1000 Chemiker in der wohl größten Massenschlägerei, die die Stadt je gesehen hatte.
Im Buch „von Athen nach Althen“ des Szenekenners Thomas Franke wird ein Namenloser Lok-Fan zitiert, ein Stimmungsbild jener Zeit:
„Wir nahmen uns jedes Haus einzeln vor, in jeden Scheißkeller stiegen wir, holten die raus und haben die Zusammengefaltet.“ Der Tiefpunkt.
Nach der Wende kamen Sozialfrust und sportliche Erfolglosigkeit hinzu – das machte den Hass nicht kleiner.
Im Februar 2007 zogen Marodierende Lok-Hooligans durch die Innenstadt. Sie jagten Polizisten durch die Straßen, es gab Schußwechsel, demolierte Einsatzwagen, und 39 Polizisten blieben schwer verletzt zurück.
Im Dezember desselben Jahres überfielen Hooligans die Weihnachtsfeier der linken „Diablos“ in der Vereinskaschemme „Sachsenstube“.
Das keiner getötet wurde: reiner Zufall.
In den Fanblocks tummeln sich Rechte und Linke, Nazis und Ultras, Hooligans und Kommunisten.
Der FC Sachsen litt lange am Krieg im eigenen Fanblock, den Schlachten zwischen den Extremen Linken Ultras und den Rechten.
„Nur zwei davon sind aber Nazis“, beruhigt Sachsen-Fan Herziger.
„Wir sind im Osten, wir sind in Leipzig“, sagt er, „hier hast du Arbeitslosigkeit, Jugendkriminalität, und die jungen Leute wollen ihre Aggressionen rauslassen.“
Die Empfehlungen des Jugendamts findet er auch nicht gerade hilfreich: „Wir sollen Gewalttäter und Rechtsradikale nicht mehr betreuen. Das ist doch hirnrissig.
Wir sind doch gerade dafür da, die wieder hinzubiegen.“
Aber er weiß auch, dass viele frustrierte Jugendliche den Hass zwischen den Fans für Gewaltexzesse ausnutzen.
Zum schaden der Clubs.
Nirgendwo in der Fußballrepublik hassen sich zwei Fanlager so innig wie die des FC Sachsen und des 1. FC Lok Leipzig.
Und plötzlich stehen sie zusammen auf einer Seite, mit ihrem Herzblut, ihrer Fanromantik, ihrem Misserfolg.
Denn in Leipzig hat die eisgekühlte, zuckrig-klebrige Zukunft des deutschen Fußballs begonnen.
Der Getränkekonzern Red Bull möchte im großen Fußball reüssieren.
Und wie das ein Konzern eben so macht, hat er sich ein Konzept zurechtgelegt, einen Businessplan, Ziele und eine Kosten-Nutzen-Strategie.
Die zwei Traditionsvereine, innig im Hass vereint, gegen das Projekt Red Bull: Es wird eine Saison der Extreme in der NOFV-Oberliga, Gruppe Süd.
Als sei ein Ufo gelandet: ein ausrangierter Lkw-Aufleger aus der Formel 1 ist das mobile Büro, drinnen schafft bläuliches Neonlicht eine surreale Stimmung.
Laptops auf weißen Schreibtischen, an der Wand zwei fast mannshohe Getränkedosen. In der Ecke Umzugskartons mit Fanartikeln.
Es gibt Schals, Kappen und T-Shirts. Das Sortiment wir noch erweitert.
Die Mitarbeiter blicken scheu auf Eindringlinge. Fragen solle man sie nicht, wird mitgeteilt.
„Bei uns steht die Dose im Vordergrund und nicht der Mitarbeiter“, sagt Jürgen Eckstein, ein drahtiger Dreißiger mit alpenländischen Akzent.
Das Ufo heißt Red Bull, und es hat sich Markranstädt auserkoren. 15 Kilometer von Leipzig entfernt, vorbei an Käffern wie Dölzig und Priesteblich, an halb fertigen Windrädern und verfallenen Vorkriegshäusern.
Hier wirken die smarten Red-Bull-Lifestyle-Typen wie teile aus dem falschen Puzzle: dasselbe Prinzip, passt aber nicht.
Ich bin mit den schlimmsten Befürchtungen ins Flugzeug gestiegen“, sagt Eckstein über sein Ankommen und lächelt zaghaft. Es soll ein Scherz sein.
Pressesprecher Hansgeorg Felder stellt klar: „Wir müssen mit Budgets umgehen und können hier nicht wie Prinz Karneval das Geld rauswerfen.“ Die Rede ist von 100 Millionen in Zehn Jahren. Ein Dutzend Profis wurde angeheuert. Der prominenteste ist Ingo Hertzsch, 32. Er spielte sogar zweimal für Deutschland. Und nun 5. Liga. Hetzsch sagt: „Ich will einfach nur Fußball spielen, egal in welcher Liga.“
Bisher war es so einfach hier: Chemie gegen Lok, Grün-Weiß gegen Blau-Gelb, Assis gegen Snobs. Jetzt sind beide im Niedergang vereint.
Der FC Sachsen schafte sich trotz der gut 15 Millionen von Kino-Unternehmer Michael Kölmel in die Pleite, stieg im Sommer in die Fünftklassigkeit ab. Das einzige Saisonziel: einen weiteren Abstieg vermeiden.
Sachsen-Mann Uwe Herziger, 46 hat traurige Dackelaugen und Mehrtagebart. Auf seinen Armen verblassen drei Tattoos. Rechts eine Nackte, links eine Rose und ein Wappen der BSG Chemie. „Jugendsünden“, kurrt er. Jahrzentelang folgt er seinen Grün-Weißen, so oft man sie auch umbenannt hat. Ob nun Chemie, Grün-Weiß oder eben Sachsen, ob erste, zweite, dritte oder nun fünfte Liga. „Einmal Leutzscher, immer Leutzscher“, sagt er.
Er versprach einst seinem Sohn: „Wenn du groß bist, dann Spielt der FC Sachsen in der Bundesliga, und wir hauen die Bayern weg!“ Der Sohn ist heute 17, die Gegner heißen VfB Pößneck und Budissa Bautzen. Herzigers zweiter Sohn ist jetzt ein Jahr alt. Da bleibt noch Zeit.
Einmal war er auch im Zentralstadion. Europapokal. „Da hab ich Maradona spielen sehen“, sagt er und blickt hinüber auf die Frisch gestrichenen Schalensitze.
Mit dem Blick, der sagt: vorbei. Dennoch – im Sommer richteten sie ihr Stadion her, den Alfred-Kunze-Sportpark, erneuerten herausgerissene Sitzschalen, strichen alles in frischem Grün und Weiß.
„Am ersten Tag standen 40 Freiwillige da, waren froh was zu tun zu haben.“ Der Verein hätte nichts bezahlen können, er durchlebt gerade die Zweite Insolvenz.
Zwei Insolvenzen hat auch Lok, das sich nach der Wende VfB Leipzig nannte, hinter sich. Die Zweite war tödlich, 2004 wurde der Verein aufgelöst. Endgültig, eigentlich. Doch einige Fans, darunter der bekennende Ex-Hooligan Steffen Kubald gründeten den 1. FC Lok und der startete in der untersten Liga, der 3. Kreisklasse Leipzig. Mit grandiosem Erfolg zum ersten Spiel gegen Böhlitz-Ehrenberg erwartete man 300 Fans, hoffte auf 700.
Bei 1000 gingen die Eintrittskarten aus, bei 5000 hörte man auf zu zählen.
Lok-Stürmer René Heusel, der in jener Saison Torschützenkönig wurde, erinnert sich: „Es war wie in der DDR, wenn es frische Bananen oder Pfirsiche gab.“
Aber dann geriet Lok immer wieder Bundesweit in die Schlagzeilen. Unter die Nostalgiker mischten sich Rechtsradikale und Hooligans und verdarben Lok den Ruf. Jetzt muss Kubald als Vorsitzender, „Den Spagat schaffen zwischen Fansein und Verantwortung.“
Keine leichte Aufgabe: das mal versucht wurde, auf der Tribühne ein Hakenkreuz zu formen? Kubald wiegelt ab:
„Die wollten das Präsidium ärgern, und nur mit viel Fantasie ist da ein Hakenkreuz zu erkennen.“ Das Unbekannte die Weihnachtsfeier der „Diablos“, der linksorientieren Ultra-Gruppe des FC Sachsen, niederprügelten? „Was irgendwelche Kriminelle außerhalb des Stadions machen, ist Sache der Polizei.“
Kubald antwortet mit der Gelassenheit, die weit über hundert Kilo – verteilt auf 1,90 Meter – verleihen.
Im Bruno-Plache-Stadion des 1. FC Lok haben viele Randalierer und Rechtsextreme Stadionverbot. „Wir haben in den letzten Jahren gute Arbeit geleistet“, Sagt Kubald, „haben Zivilcourage und uns von denen getrennt.“ Lok hat sich vielleicht von den Nazis getrennt. Aber nicht die Nazis von Lok. Denn bei Auswärtsspielen sind sie nicht zu kontrollieren. Ein polizeilichbekannter Rechter war früher für den Verkauf der Fanartikel zuständig, ein anderer für das Internet-Radio. Kubald sagt, er könne ja nicht das Parteibuch jedes Zuschauers kontrollieren. Und außerhalb des Vereins gebe es kaum Handhabe. So kommt es vor, dass die NPD vor dem Stadion Kugelschreiber und Aufkleber verteilt und politische Agitationen bei den Fans betreibt. Dort wird sie gehört. Es gab transparente, auf denen stand „Wir sind Lokisten, Mörder und Faschisten.“
Auch wenn er früher wohl zu oft weggesehen hat – Kubald kämpft tapfer für einen sauberen Club. Er mag das alles nicht mehr hören. „Schreiben sie doch mal über unsere hervorragende Jugendarbeit.“ Oder darüber, dass man einen Weltrekord aufstellte, beim Spiel gegen Großdeuben: 12.150 Zuschauer, mehr kamen noch nie zu einem Spiel der untersten Liga, weltweit.
Alles in allem also eine ziemlich verfahrene Lage in Leipzig. Eine Situation, die Red Bull lockte: eine Stadt mitten in der Republik, mit einer halben Millionen Einwohnern, Flughafen und Autobahn, mit WM-Stadion und weitläufigem Umland.
Der ideale Standort.
Abgeordnet wurde Andreas Sadlo, 41, gebürtig in Kitzbühel, früherer Spielerberater und Manager des FC Tirol Innsbruck. Ein hagerer Mann, typ Marathonläufer mit holen Wangen unterm Dreitagebart. Er lacht ein wenig und wird nicht gern fotografiert. Alles hier erweckt den Anschein einer Geheimveranstaltung, Sadlo immerhin gibt Auskunft. Spricht stets von dem „Projekt“ und formt Sätze wie aus einer Imagebroschüre: „Wir haben uns die Standorte Berlin und Düsseldorf angesehen und glauben, dass Leipzig für so ein Projekt perfekt geeignet ist.“ Oder: „Was uns auszeichnet, ist die Langfristigkeit, mit der wir Projekte angehen.“
Oder: „Wir machen kein Sponsoring, wir betreiben den Sport selbst.“
Seit über einem Jahr ist er mit dem „Projekt“ zugange. Er sondierte den Markt, beobachtete viele Oberliga-Spiele, „um einen Eindruck zu bekommen von der fußballerischen Qualität“. Und erkor schließlich den SSV Markranstädt aus für den Take-Over. Die Übernahme war freundlich – man spricht von der überzeugenden Kraft von 350.000 Euro im Jahr – aber konsequent. Das Produkt, das Red Bull dafür erhielt: die erste Mannschaft samt Platz in der Oberliga, dazu Reserve- und Jugendmannschaften. Alles das heißt nun RB Leipzig, offiziell „RasenBallsport“ – werbliche Vereinsnamen sind in Deutschland untersagt – die düfen nur Clubs wie Bayer Leverkusen oder Carl Zeiss Jena tragen, die traditionell so heißen, weil sie einst als Werksportclub gegründet wurden. Der Aufstieg ist für RB pflicht, er steht im Businessplan. Spätestens ab der 3. Liga wird man ins Zentralstadion umziehen, die einzige brachliegende Arena der WM 2006.
„Fußball gucken und sich nicht Köpfe einschlagen: Das ist, was die Leute wollen“, sagt Toni Freytag, 26, einer der unpolitischen Fans in der Stadt. Und einer der wenigen RB Fans. Er hat die L.E. Bulls gegründet, den ersten Fanclub des Retortenvereins. Dass man ihn und seine 30 Kollegen im Fanblock anfeindet – egal. Er will stressfreie Nachmittage mit gutem Fußball.
Die traditionellen Anhänger halten nicht viel von RB: Vor dem ersten Spiel hoben sie ein Grab aus, nagelten ein Holzkreuz zusammen mit der Aufschrift „hier Stirbt der Fußball.“ Beim Spiel in Jena pöbelten sie die Spieler an, bespuckten sie. „Das Feindbild verlagert sich – Richtung RB“, sagt Lok-Mann Kubald.
Er sieht die Situation gelassen. „Red Bull hat in der Formel 1 was gerissen, und die fliegen mit Flugzeugen durch Pylonen“, sagt er. Aber Fußball? „Da wird niemand klein beigeben, nur weil Red Bull kommt.“ Auch Herziger, der Grün-Weiße, ist sich sicher: „Die werden sich umgucken, wie es in Auerbach oder Pößneck auf die Socken gibt.“
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Roberto »

Red Bull boykottieren!

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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Soccer_Scientist »

REINER hat geschrieben:Der Arbeiterverein, früher unter dem Namen BSG Chemie bekannt, für die Fans heißt er noch heute so. Der größtmögliche Gegensatz kommt aus Leipzig-Probstheida, ist Blau-Gelb und heißt 1. FC Lok Leipzig. In der DDR der Verein der Parteibonzen.
Hätte ich die Wahl zwischen einem Arbeiterverein und einem Verein der Parteibonzen, würde ich mich immer für Letzteres entscheiden.
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

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Roberto hat geschrieben:Red Bull boykottieren!

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Ganz meiner Meinung!!
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Soccer_Scientist »

Die bloße Existenz von RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim hat über das Schaffen eines gemeinsamen Feindbildes und der damit zusammenhängenden Identität schon mehr für die Fußballfankultur getan, als es die bloße Existenz von zehn der sogenannten Traditionsvereine jemals machen könnte.
„Ich glaube 2024 wird ein durchgängiges Feuerwerk an guten Nachrichten! :D (OLBurger)

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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Soccer_Scientist hat geschrieben:Die bloße Existenz von RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim hat über das Schaffen eines gemeinsamen Feindbildes und der damit zusammenhängenden Identität schon mehr für die Fußballfankultur getan, als es die bloße Existenz von zehn der sogenannten Traditionsvereine jemals machen könnte.
Kommt das von dir oder hast du das irgendwo kopiert? :wink:
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Soccer_Scientist »

REINER hat geschrieben:Kommt das von dir oder hast du das irgendwo kopiert? :wink:
Nich' labern!
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Das Fußball-Labor
Rechte Gewalt, linke Redlichkeit – und viel, viel Geld: Fußball in Leipzig ist selten einfach nur Fußball. Und deshalb brodelt und stinkt es hier häufig. Und manchmal knallt es.

Am Eingangstor des kleinen Sportplatzes will ein Polizist mit gezücktem Schlagstock Personalausweise sehen, ein paar Meter weiter sind Einsatzwagen geparkt, die Zufahrtsstraße ist abgesperrt, mehrere Dutzend Polizisten haben Stellung bezogen auf einem kleinen Wall, der Einsatzleiter steht etwas abseits, an seinen Stiefeln klebt roter Matsch. "Bezirksklasse, zweite Staffel – ich würde normalerweise gar keine Kollegen hierherschicken", sagt er. "Aber seit Brandis …"

Rund 80 junge Männer und Frauen – viele haben Kapuzen auf dem Kopf, einige Dreadlocks – sind auch noch da an diesem Dezembersonntag, sie feuern vom Spielfeldrand aus ihr Team an. Roter Stern Leipzig, 1999 gegründet, spielt eine halbe Autostunde nördlich von Leipzig bei der zweiten Mannschaft des ESV Delitzsch.

Seit Spieler und Fans von Roter Stern Ende Oktober beim Auswärtsspiel im sächsischen Brandis von 50 Neonazis mit Knüppeln und Eisenstangen attackiert wurden, muss die Polizei den Klub schützen. Aber auch die Beamten haben nicht verhindern können, dass jemand in Delitzsch seine Meinung zu Roter Stern in der Nacht vor dem Spiel auf einem Kiosk am Spielfeldrand verewigt hat. "Unsere Stadt lehnt Linke ab", steht da, "Good night red side" und "Rot ist keine Alternative".

In Leipzig war Fußball selten einfach nur Fußball. Es gibt tiefe, jahrzehntealte Feindschaften zwischen den Anhängern des 1. FC Lokomotive und des FC Sachsen. Nach der Wende drängten beide Klubs in den Profifußball, dann gingen sie pleite, es gab Krawall, Abspaltungen, Neugründungen, Lok-Fans stellten sich bei einem Jugendspiel mal in Hakenkreuzformation auf, und der FC Sachsen scheiterte kläglich beim Versuch, das riesige Zentralstadion zu füllen. Und vielleicht weil das alles so deprimierend ist, Leipzig den Sport aber immer noch liebt, ist die Stadt zu einem Fußballlabor geworden, in dem experimentiert wird wie sonst nirgendwo in Deutschland.

Die Experimente sind gewagt, es brodelt und stinkt im Leipziger Fußball, manchmal knallt es. Die NPD hat versucht, den 1. FC Lok zu unterwandern, und wirbt im Umfeld des Klubs offen um Anhänger. Auf der anderen Seite kämpfen Roter Stern und dessen linke Fans gegen Diskriminierung im Fußball. Und mit dem Getränkehersteller Red Bull spielt seit dieser Saison ein Konzern im Leipziger Fußball mit, der noch einmal ganz andere Ziele verfolgt.

Das neueste Experiment heißt "Rasenballsport Leipzig e.V." Wenn man den sperrigen Namen abkürzt, wird klar, worum es geht: RB steht nicht nur für Rasenball, sondern auch für Red Bull. Vor dieser Saison hat der Leipziger Vorortklub SSV Markranstädt seine Lizenz in der Oberliga, der fünfthöchsten deutschen Spielklasse, an den österreichischen Konzern abgetreten. Das Logo mit den beiden Bullen ist jetzt auch das Emblem des Vereins. 100 Millionen Euro will Red Bull angeblich investieren, um schnellstmöglich in die Bundesliga, die Sportschau, die deutschen Wohnzimmer vorzudringen. Bei einer Umfrage der "Leipziger Volkszeitung" begrüßten 77 Prozent der Leipziger das Engagement der Firma.

Das Bruno-Plache-Stadion im Stadtteil Probstheida am Samstag. Steffen Kubald, ehemaliger Hooligan und heutiger Vereinspräsident von Lok, läuft mit großen Schritten an den Verkaufsständen vorbei. Der massige Mann mit den kurzen Haaren ist vor dem Anpfiff unterwegs, um auf dem Parkplatz, vor dem Eingangstor und auf der Tribüne nach dem Rechten zu sehen. Ein kleiner Empfänger im Ohr informiert ihn darüber, was in seinem Stadion und drumherum passiert. Und ob vielleicht ungebetene Gäste kommen – die Ultrafans hatten auswärts vor kurzem Leuchtraketen abgefeuert, sie dürfen an diesem Tag nicht rein.

Trotz seiner Eile hat Kubald Zeit, um ankommende Zuschauer zu begrüßen. Wenn er jungen Männern auf die Schultern klopft oder eine Frau in den Arm nimmt, wirkt Lok wie eine große Familie – allerdings wie eine, bei der stets der missratene Neffe mit seinen unangenehmen Freunden vor der Tür stehen könnte.

Es ist kalt im Bruno-Plache-Stadion, in der zweiten Halbzeit setzt auch noch Regen ein, viele der 1027 Zuschauer werden nass. Nur eine Gerade des Feldes ist besetzt, der Rest der flachen Betonränge, auf denen sich früher im Europapokal die Massen drängten, ist leer, Pößneck ist ganz ohne Fans angereist. Aber die Zuschauer sind gut gelaunt, der zuletzt schwache 1. FC Lok gewinnt 3:0. Steffen Kubald sitzt nach dem Abpfiff zufrieden in der "Lok Lounge", dem bescheidenen Vip-Raum des Klubs, wo es Kuchen, Würstchen und Bier für 1 Euro 50 gibt.

Eine riesige Landkarte hinter Kubald, der den einst ruhmreichen Klub nach der Pleite mit Gleichgesinnten neu gründete und nun gegen die Unterwanderung seines 1. FC Lok durch die Nazis kämpft, zeigt frühere Europapokalgegner. Von Benfica Lissabon im Westen bis Spartak Moskau im Osten, von Stavanger in Norwegen bis zum SSC Neapel in Süditalien. Jetzt, nach dem Spiel, hat Kubald auch den Empfänger aus dem Ohr genommen. Es gab keinen Ärger, das ist wichtig.

Dass viele Fans draußen bleiben mussten, macht ihm allerdings zu schaffen. "Das ist schon schwer", sagt Kubald. "Aber die haben dem Verein geschadet, da mussten wir die Bremse reinhauen." Wenigstens war von NPD-Leuten nichts zu sehen und zu hören. Kurz nach dem Anpfiff wurde Pößnecks Brasilianer Jorge Ferreira Junior sogar ein humorvolles "Du Austauschstudent" zugerufen. Aber als der Stürmer einmal hinfiel, sang ein Fan so leise, dass es nur die Leute direkt neben ihm hörten, gedankenverloren vor sich hin: "Er ist ein Mohr, ein Mohr, ein Mohr …" Den Linienrichter beschimpften gleich mehrere Zuschauer als "Schwuchtel".

Wegen solch offener Gesänge und versteckter Überzeugungen ist Adam Bednarsky bei Roter Stern Leipzig aktiv. Bednarsky, 29 Jahre alte, Doktorand der Politikwissenschaft, Spieler der dritten Mannschaft, sitzt mit der Spielerin und Vereinssprecherin Claudia Krobitzsch im "Fischladen", dem Vereinsheim des Klubs im Stadtteil Connewitz. Auf einer Leinwand laufen die letzten Minuten des Bundesligaspiels zwischen Frankfurt und Mainz, es gibt eine Theke, einen Kühlschrank mit Bier, in der Ecke bollert ein kleiner Ofen. Dass der Klub seit seiner Gründung vor zehn Jahren offensiv gegen die im Fußball üblichen Sprüche und Rituale antritt, machte ihn bei anderen nicht gerade beliebt.

Auch wenn Roter Stern vor kurzem wegen seines Engagements gegen Rassismus, Homophobie und Diskriminierung sogar den Sächsischen Förderpreis für Demokratie erhalten hat, sagt Bednarsky: "Wir sind immer die Nestbeschmutzer gewesen." Er habe aber keine Lust, sein "Gehirn am Stadiontor abzugeben".

Am 20. April 2008 warfen Unbekannte die Scheiben des Fischladens ein, ein Molotowcocktail verfehlte sein Ziel. Seitdem schützen Jalousien die Fenster, die Tür ist vergittert. "Seit Brandis schließen wir jetzt auch manchmal ab", sagt Krobitzsch. Seit Brandis fährt die Mannschaft auch gemeinsam mit den Zuschauern in einem Bus zu Auswärtsspielen, seit Brandis bittet die Polizei vor jeder Partie zu einer Sicherheitskonferenz, seit Brandis singen die Fans nicht mehr so ausgelassen wie früher.

Der Verband hat das Skandalspiel gerade neu angesetzt, nicht auf neutralem Boden, sondern auf demselben Platz. Dem gastgebenden Klub sei nichts vorzuwerfen. Wieso Eisenstangen auf dem Vereinsgelände herumlagen, warum kaum Polizei da war, wie die Angreifer auf den Platz gelangten – diese Fragen sind ungeklärt geblieben. Roter Stern hat Einspruch gegen die Neuansetzung erhoben.

Seit die erste Männermannschaft im Sommer aus der Stadtliga in die Bezirksklasse aufgestiegen ist, muss das Team in der sächsischen Provinz antreten. Im Muldentalkreis, wo die Rechten stark sind, in Wurzen und Mügeln. "In der Stadtliga hatte man sich an uns gewöhnt", sagt Krobitzsch. "Auch daran, dass ab und zu Hunde unserer Zuschauer über den Platz gelaufen sind." Aber im Umland steht der Name Roter Stern noch für den Schwarzen Block, für ungewaschene Autonome.

Im Fischladen hängen Plakate, die Konzerte und Lesungen ankündigen, Roter Stern Leipzig ist ein politisches Projekt, aber auch ein Fußballklub mit dem klassischen Vereinsleben, das Lok und dem FC Sachsen abhandengekommen ist und das RB Leipzig vielleicht nie haben wird. Es gibt bei Roter Stern drei Männer- und eine Frauenmannschaft sowie fünf Jugendteams, man trifft sich, um Fußball im Fernsehen anzuschauen und um Bier zu trinken, der Trikotsponsor ist die verrauchte Kneipe gegenüber. Einmal pro Woche tagt das Plenum, zu dem jedes Klubmitglied kommen kann. Eine Entscheidung muss von allen Anwesenden getragen werden, die Diskussionen sind oft ermüdend. Doch seit Brandis ist es in den Sitzungen wieder voller geworden. "Die Leute merken, warum wir das machen", sagt Claudia Krobitzsch. "Und dass wir keine Phantome bekämpfen."

Das Zentralstadion, am Sonntag. RB Leipzig empfängt den FC Sachsen. Auf den weitgehend leeren Tribünen der riesigen WM-Arena ist viel Platz für Plakate, eines verkündet: "Lieber moderner Fußball mit Herz und Kommerz als Traditionsfußball mit Rassismus, Gewalt und Schmerz". Auf der Videoleinwand laufen Extremsportvideos Marke Red Bull in Superzeitlupe: Wakeboarder springen zu Rockmusik über Wellenkämme, BMX-Fahrer schießen Kaufhausrolltreppen hinab.

Ein paar Meter entfernt, vor den Toren des Stadions, dominiert das Grün der FC-Sachsen-Fans das Bild, auf dem Eichenparkett der Businesslounge sind die Red-Bull-Schals deutlich in der Überzahl. Der neue Investor wirbt für seine Spiele mit einem Familienticket – ein Erwachsener, ein Kind, zehn Euro, – einige Fans haben sich schon mit Mützen eingedeckt, aus deren Seiten Bullenhörner aus Stoff ragen. Die letzten Generationen der Stadt sind mit blau-gelben Göttern und Helden in grünen Trikots aufgewachsen, die nächste soll den roten Bullen anbeten.

Das vor der Saison teuer verstärkte Team führt die Tabelle der Oberliga Süd des Nordostdeutschen Fußballverbands souverän an, Lok und Sachsen stehen weit dahinter. Auch an diesem Tag gewinnt RB Leipzig locker mit 2:0. Nach dem fest eingeplanten Aufstieg soll der neue Klub auch mehr Zuschauer anziehen, das Zentralstadion wird schon bald Red-Bull-Arena heißen, die Namensrechte hat sich der Konzern für die nächsten 20 Jahre gesichert.

Das Bruno-Plache-Stadion, wo tags zuvor der 1. FC Lok spielte, wird wohl immer Bruno-Plache-Stadion heißen. An einem Verkaufsstand bekommt man für 30 Cent Sticker mit den Vereinslogos von Lok und vom Vorgänger VfB, darunter der Slogan "Im Felde unbesiegt". Für 50 Cent gibt es Aufkleber mit der Aufschrift "Rat Pull – Folgt nicht dem österreichischen Rattenfänger". Und ein Sticker ruft die eigentlich unvereinbaren Anhänger des FC Sachsen und des 1. FC Lok sogar zur Einheit auf: "Feinde im Alltag – Gemeinsam gegen Red Bull".

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 09.12.2009)
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Kridde
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Kridde »

Didi Beiersdorfer ist jetzt Sportchef bei Red Bull.
Hallo Wirklichkeit

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Roberto
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Roberto »

So ein Vollidiot!

Nachwux
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von Nachwux »

ganz passender artikel von ronny balschke. Wurde für den artikel zum sportjournalisten des jahres gewählt http://www.zeit.de/2009/37/DOS-Lok-Leipzig?page=all sich die zeit zu nehmen lohnt sich wirklich

REINER
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von REINER »

Ein Derby zwischen Lok und dem FC Sachsen hat immer seinen Reiz
Geschrieben von Steffen Enigk
Donnerstag, 1. April 2010

Ums Prestige

Leipzig. Am vergangenen Sonntag unterlag der 1. FC Lok unglücklich 0:1 gegen RB, am Ostermontag steigt im Zentralstadion das große, das traditionelle Derby. Um 14 Uhr trifft Lok - erneut als Gastgeber - auf den FC Sachsen. Wir sprachen mit den Vereins-Chefs über Probleme und Perspektiven.
Frage: RB dominiert die Oberliga, Lok ist Elfter, der FC Sachsen Neunter. Worum geht es noch im Derby?
Steffen Kubald: Ums Prestige, um die Nummer zwei in Leipzig. Für uns, für Fans und Sponsoren, ist es sehr wichtig, die Saison vor dem FC Sachsen abzuschließen. Ein Derbysieg ist immer schön - und wird es auch bleiben.
Lars Ziegenhorn: Egal wo die Vereine stehen, ist das stets ein großer Höhepunkt, bei dem es für Spieler und Fans eben nicht um die goldene Ananas geht, sondern um alles, um die Vormachtstellung in der Stadt. Fußball-Leipzig ist trotz RB immer noch Grün-Weiß und Blau-Gelb, jedes Lager hat eine sechsstellige Sympathisantenzahl, die Rivalität ist über Jahrzehnte gewachsen.
Wie viele Zuschauern erwarten Sie?
Kubald: Ich glaube nicht, dass wie im Hinspiel 15 000 kommen, ich hoffe auf gut 10 000, davon werden zwei Drittel uns die Daumen drücken.
Ziegenhorn: Maximal 11 000, die Lok-Fans werden mit rund 6000 sicher leicht in der Überzahl sein.
Oft haben Randalierer die Derbys als Bühne missbraucht. Gibt es Hinweise?
Kubald: Nein, aber es werden wieder Leute anreisen, die mit beiden Vereinen nichts am Hut haben. Spruchbänder, Gesänge, Emotionen gehören dazu, ich hoffe jedoch, dass die Fans Pyrotechnik zu Hause lassen. Wir sind vorbelastet, jede Geldstrafe tut weh, bei neuen Vorfällen müssen wir mit einem Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit rechnen. Deshalb war ich froh, dass am Sonntag gegen RB kein einziger Böller flog. Es war der Beweis, dass die Leute ohne Angst zu so einem Spiel gehen können, dass die Vernunft eine Chance hat. Diesmal sind nach dem Abpfiff vorbeugend die Ausgänge zum Elsterflutbecken und zur Festwiese gesperrt.
Ziegenhorn: Beim Hinspiel gab es trotz unserer gemeinsamen Fairness-Kampagne eine dritte Halbzeit, weil Chaoten eine Plattform suchten. Ausschließen kann man so etwas auch mit gründlichster Vorbereitung nicht.
Hat sich durch den neuen Krösus RB das Verhältnis zwischen Probstheida und Leutzsch entspannt, wurden Feindbilder abgebaut?
Kubald: Nein, die Rivalität der Lager ist ungebrochen. RB hat kaum Fans, bietet so keinen Gegenpol, ist kein Maßstab. Lok hat aber ein vernünftiges Verhältnis zum FC Sachsen - und ich habe ein gutes zu Herrn Ziegenhorn. Wir reden auf solider Basis über vieles, wann immer das angebracht und nötig ist.
Ziegenhorn: Die RB-Geschichte hat die Vereine schon ein Stück zusammenrücken lassen, das war ein tiefer Einschnitt in den traditionellen Fußball. Aber die Anti-RB-Stimmung wird sich mittelfristig relativieren, wenn die in höheren Ligen spielen. Ich erwarte deshalb auch keine gemeinsamen Projekte von Lok und FCS, sondern weiter harte Konkurrenz. Aber wir respektieren uns. Herr Kubald hat in den letzten Jahren einen guten Job gemacht, wir telefonieren oft. Ich sehe eher ein Miteinander als ein Gegeneinander.
Der FC Sachsen ist in der Insolvenz, Lok auch nicht auf Rosen gebettet. Wie beurteilen Sie die bisherige Saison?
Kubald: Sportlich sind wir von der Hinrunde enttäuscht, da konnten wir unsere Pläne nicht umsetzen. In den letzten drei Spielen, vor allem gegen RB, hat die Mannschaft aber gezeigt, dass sie will und es auch kann, dass Platz fünf noch möglich ist. Wirtschaftlich werden wir über die Runden kommen. Die Zuschauereinnahmen aus den beiden Derbys sind sehr wichtig für uns.
Ziegenhorn: Es geht langsam voran. Wir werden den Etat decken können, haben als Verein Vertrauen zurückgewonnen, tragen jetzt Baustein für Baustein zu alter Stärke zusammen. Die junge Mannschaft hat nicht enttäuscht, Trainer Dirk Heyne gerade für zwei Jahre verlängert.
Wie sehen Sie die Perspektiven, ist die Regionalliga realistisch?
Kubald: Mittelfristig ist sie das Ziel, aber man muss sie sich auch leisten können. Derzeit fehlen uns die Rahmenbedingungen dafür. Wir sind sehr schnell gewachsen und sehr weit gekommen, haben aber vorerst das Ende der Fahnenstange erreicht, müssen konsolidieren. Wir brauchen mehr Mitglieder, neue Sponsoren, um voranzukommen. Deshalb werde ich für die nächste Saison auch nichts versprechen.
Ziegenhorn: Es wäre vermessen, in der Insolvenz von der Regionalliga zu reden. Wir gehen kleine Schritte, wollen wieder einen Etat von 850 000 Euro stemmen und hoffen, dass wir den Insolvenzverwalter Ende 2010 loswerden. Wir werden eine gute Mannschaft haben. Noch nicht für ganz oben, aber vielleicht für die Plätze zwei bis fünf. Und in einigen Jahren könnte dann mehr möglich sein.
Wie weit sind die Personalplanungen?
Kubald: Erste Spielergespräche laufen. Die führt Teammanager Peter Milkau in Absprache mit unserem künftigen Trainer Frank Baum. Es stimmt, dass er noch keinen Vertrag unterschrieben hat, aber für mich zählt ein Handschlag unter Männern noch.
Ziegenhorn: Es gab Vorgespräche, nach dem Derby geht es richtig los. Wir planen zwei Neuzugänge, wollen das Gros der Mannschaft halten, haben Verlängerungs-Optionen gezogen. Aber es gibt noch sieben, acht große Herausforderungen, vor allem bei Leistungsträgern wie Kittler, Scholze, Lippmann, Gerber, Köckeritz. Wir können nur 400 Euro zahlen, müssen um Fremdfinanzierungen kämpfen.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Lokalrivalen?
Kubald: Der FC Sachsen ist nicht mein Thema. Aber ich bin etwas verwundert, dass offenbar viele Gläubiger signalisiert haben, einem Insolvenzplan mit niedriger Quote zustimmen zu wollen. Beim VfB Leipzig war das in der zweiten Insolvenz ganz anders.
Ziegenhorn: Lok hat sich lange sehr gut entwickelt und ist jetzt in einer normalen Phase der Stagnation. Aber große Sprünge werden wohl beide Vereine in nächster Zeit nicht machen.
Ist es durch RB noch schwieriger geworden, Sponsoren zu gewinnen?
Kubald: Unser Problem ist, dass uns wichtige Geldgeber weggebrochen sind - wegen der Wirtschaftskrise, wegen Engpässen und Insolvenzen. RB spielt da in einer ganz anderen Liga. Wir müssen uns um den Mittelstand kümmern, der für RB nicht interessant ist. Letztlich sind wir an den gleichen Sponsoren dran wie der FC Sachsen.
Ziegenhorn: RB konzentriert sich auf große, langfristige Partner, der lokale Markt ist davon kaum betroffen. Ein, zwei überregionale Sponsoren wären schön für uns, wir müssen aber an die traditionellen grün-weißen Geldgeber ran, 80 bis 90 Prozent davon sind für uns erreichbar. So schnell wechselt keiner die Farben.
Womit können Sie werben, welche Trümpfe ausspielen?
Kubald: Unsere Tradition, unser Publikum, unsere 1700 Mitglieder, mit denen wir hinter Dynamo und Aue Nummer drei in Sachsen sind. Bei uns spielen 200 Jungs und 100 Mädchen, die 2. Frauen-Bundesliga und die Nachwuchs-Regionalligen bringen gute Außenwirkung, aber sie kosten eben auch viel Geld.
Ziegenhorn: Wir wollen den Kunze-Sportpark weiter modernisieren, in die Schulen gehen, um junge Fans neugierig zu machen. Wir setzen auf Ehrlichkeit, Transparenz und die Leutzscher Tugenden: Wer nicht alles gibt, gibt nichts. Unsere Oberliga-Spieler wurden fast alle in Leipzig ausgebildet, wir tragen hier soziale Verantwortung bei 200 Nachwuchsspielern, wir wollen ein Stadtteil-Verein mit hoffentlich bald überregionaler Ausstrahlung sein.
RB wird bald in höhere Sphären entschweben und noch mehr Aufmerksamkeit erzielen - steigt am Montag das letzte ganz große Ortsderby?
Kubald: RB setzt auf neutrale Zuschauer, auf Event-Fans, und wird es in der Regionalliga schwer haben, Euphorie zu erzeugen. Die Oberliga bleibt sehr interessant. So lange es die Derbys gibt, werden sie viele Menschen anziehen. Was in fünf Jahren ist, weiß ich nicht. Aber die Nummer zwei kann auf Dauer nur einer einer sein - wir.
Ziegenhorn: Ich habe gelesen, dass Lok gegen FC Sachsen eines der 25 härtesten Derbys der Welt ist. Das wird immer seinen Reiz haben.
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mikrowellenpete
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Re: Das Leipziger Fußballdrama

Beitrag von mikrowellenpete »

Mein Ticket fürs Derby liegt schon parat. :)
"Die machen sich immer permanent Gedanken, wie kann man was reformieren. Da sitzen dann irgendwelche Leute in ihren dicken Sesseln, auf was weiß ich für einem Board, wie sich das nennt, Regelboardwerk oder wie die Heinis da oben heißen. Und entscheiden, so jetzt entscheiden wir mal." (Horst Heldt)

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